Unter dem Vulkan

| Text: Gunther Stoschek |

Es sollte eine ganz besondere Jagd in Tansania werden. Im Fokus standen kapitale Büffel, die in den dicht bewaldeten Bergregionen am Rande des nördlichen Massailandes ihren Lebensraum haben. Eine echte Herausforderung erwartete uns. Doch dann kam alles ganz anders …

Unser Reisetermin Mitte November war wegen der kurz bevorstehenden Regenzeit eigentlich zu spät für diese Region Ostafrikas. Doch wer beruflich sehr eingespannt ist, hat gelernt, Kompromisse einzugehen. Unmittelbar vor dem in der Savanne einsetzenden Regen hätte der Landschafts- und Vegetationskontrast jedenfalls nicht größer sein können. Während sich unterhalb unserer klassisch gestalteten Lodge staubtrockene Savanne erstreckte, gingen auf den einige Kilometer entfernten immergrünen Bergrücken bereits wahre Wolkenbrüche nieder. Genau dort, wo „unsere“ Büffel zu finden sein sollten. Für uns ein gravierendes Problem.

Berufsjäger Haydar blickte sorgenvoll auf die immer neu aufziehenden dunklen Wolken. Er wusste, dass es bei dieser Nässe dort oben fast unmöglich sein würde, mit unseren Toyota Pickups das Zeltcamp für die Büffeljagd zu erreichen. Zu steil sei dort das Gelände, zu schmierig der Boden. Zu groß wäre das Risiko, mit dem Fahrzeug abzurutschen. Mindestens ein, zwei Tage lang müsste in den Bergen die Sonne scheinen, damit eine sichere Bergfahrt unternommen werden könnte.

Immerhin machte uns der Wetterbericht Hoffnung auf etwas Sonne in den kommenden Tagen. Jäger Daniel wollte deshalb die Zeit nutzen, um in der Savanne am Rande der Berge zur Jagd zu gehen.

Spannende Oryx-Jagd

Wir erlebten Jagdtage, die nicht nur spannend waren, sondern an denen wir auch viel über Land und Menschen erfahren durften. Insbesondere die allgegenwärtigen Massai, die nach erfolgreicher Jagd oft wie aus dem Nichts auftauchten, faszinierten uns durch ihre ganz eigene, stolze Art. Sich Fremden gegenüber normalerweise eher skeptisch verhaltend, zeigten sie bei einem erlegten Stück Wild begeistertes Interesse und hilfsbereite Offenheit. Manche dieser Begegnungen inmitten ursprünglicher Natur ließen uns dabei fast schon glauben, wir hätten eine Zeitreise über Hunderte von Jahren in die Vergangenheit gemacht.

Ein Erlebnis ist uns dabei ganz besonders im Gedächtnis geblieben. Unser Berufsjäger hatte Daniel von einer Oryx-Unterart, dem Fringeeared Oryx (Büschelohr-Oryx, Oryx beisa callotis), erzählt, die ausschließlich in den bergigen Regionen Kenias und Tansanias beheimatet ist. Damit war sofort das Interesse geweckt, in den steilen, mit Dornenbüschen bewachsenen Hanglagen auf eine uns alle fordernde Pirsch zu gehen. Dank Daniels sehr guter Kondition gelang es ihm bereits am Nachmittag des ersten Jagdtages, auf einen alten Oryx zu Schuss zu kommen. Doch obwohl sich Daniel wie auch Berufsjäger Haydar eines guten Kammertreffers sicher waren, fehlte vom Oryx jede Spur. Zumindest für uns, denn die beiden Fährtenleser konnten natürlich, wenn auch erst nach einigen Hundert Metern, winzige Schweißtröpfchen ausfindig machen. Mit gebührendem Abstand folgten wir unseren Helfern unter großer Anspannung. Die Suche endete zunächst auf einer Anhöhe, von der aus ein Blick ins Tal möglich war. Noch während die Fährtenleser akribisch nach dem weiteren Verlauf der Wundfährte suchten, hörten wir plötzlich in einigen Hundert Meter Entfernung den Standlaut eines Hundes. Haydar, der natürlich sofort wusste, dass es nur ein Hütehund der Massai sein konnte, der den kranken Oryx gestellt hatte, kommentierte diese überraschende Wende kurz und trocken: „Poor dog … now he is dead …“

Haydar erklärte uns, dass ein unerfahrener Hund das Stellen eines angeschweißten Oryx in der Regel nicht überleben würde. Zu reaktionsschnell und mit ihren langen Spießen zu gefährlich seien die Oryx. Und wie zur Bestätigung dieser Worte vernahmen wir Sekunden später einen kurzen Klagelaut des Hundes. Danach war nur noch Totenstille.
Sichtlich betroffen, bat uns Haydar, zurückzubleiben. Nur er, Daniel und die beiden Fährtenleser sollten die weitere Suche fortsetzen.

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