Die verlorene Ehre der Fotografie
Bitte glauben Sie mir: Früher war nicht alles besser. Wir alle wissen, dass diese nostalgische Behauptung nicht stimmt. Es war schlicht anders – manchmal langsamer, manchmal besonnener. Sten Nadolny hat diese Qualität der Langsamkeit in seinem Roman Die Entdeckung der Langsamkeit gefeiert. Und auch die Fotografie lebte einst von dieser Haltung: vom Innehalten, vom bewussten Hinschauen.
Doch das unmittelbare Zeugnis eines Ereignisses war Fotografie nie. Schon immer war sie Interpretation, weil ein Mensch auf den Auslöser drückte – mit seiner Wahl der Brennweite, des Blickwinkels, des Standpunktes. Jede Fotografie ist damit nicht bloß Abbild, sondern auch Kommentar. Schon wenn Fotografen kleine Zweige vor die Linse hielten, um Tiefe ins Bild zu bringen, schufen sie eine Inszenierung, eine scheinbare Wirklichkeit – ganz ohne die Hilfe von Algorithmen.
Seit jeher verbreiten sich sogenannte Symbolfotos in atemberaubender Geschwindigkeit. Sie erfüllen die Erwartungen der Auftraggeber und bedienen die Sehgewohnheiten des Publikums. Mit der Datenschutz-Grundverordnung von 2018 jedoch hat das spontane Festhalten gesellschaftlicher Realität im öffentlichen Raum einen Bruch erfahren: Wer heute dokumentiert, geht rechtliche Risiken ein. Damit schwindet das Authentische, das Unmittelbare. Natürlich haben inszenierte Motive ihren Platz in der Pressefotografie, wenn die Realität sich nicht abbilden lässt. Doch nun betritt ein neuer Akteur die Bühne: die künstliche Intelligenz. Deren Bilder füllen Datenbanken, sind billig und jederzeit abrufbar. Sie zeigen nicht, was geschieht, sondern das, was man sehen möchte. Sie liefern perfekte Projektionen, aber keine Erfahrung der Wirklichkeit. Fotografie war nie nur Technik. Sie war und ist Zeugenschaft, Dokument und manchmal Widerstand. Sie hat Ecken, Kanten, Brüche – und gerade darin lag oder vielmehr liegt ihre Kraft. Lassen wir nicht zu, dass diese dokumentarische Würde im Strom glatter Bilder verloren geht. Wahren wir die Ehre der Fotografie!
Und damit sind wir bei der vorliegenden HALALI-Ausgabe: Bildgewaltig und farbenprächtig eröffnen wir dieses Heft mit einem Beitrag über das Fell- und Federkleid unserer Wildtiere – eine Hommage an die Vielfalt und Schönheit der Natur. Wir nehmen Sie mit auf eine Familienreise ins afrikanische Namibia, lassen Sie die klassische Eleganz einer Doppelbüchse entdecken und begleiten Sie mit praxisnahen Beiträgen zur Revierarbeit, zur Jägerausbildung und zum Sammeln historischer Waffen. All dies geschieht in Begleitung von Fotografien, die authentisch sind, die die Reportagen unserer Autoren vertiefen – und die nicht durch künstlich generierte Bilder verfälscht werden. Auch unsere Jagdhundbeiträge setzen auf echte Momente, festgehalten von der Kamera, nicht von einem Algorithmus. Besonders deutlich wird die Kraft der Fotografie in den Naturthemen: beim Besuch eines Imkers in der Lüneburger Heide oder in der Reportage über die Eierjäger aus Papua-Neuguinea. Hier zeigt sich, was Bilder vermögen – sie öffnen unseren Blick, sie machen Wirklichkeit erfahrbar. Gleiches gilt für unseren Beitrag über die Hochsitze: Er zeigt, was ist, und nicht, was sein könnte oder sollte.
Abgerundet wird diese Ausgabe durch kulinarische Inspirationen: Fotos und Rezepte wecken neue Lust auf die Verwertung unseres Wildbrets – so, wie Sie es von HALALI gewohnt sind.
Wir freuen uns mit Ihnen auf eine spannende Jagdsaison, danken allen, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben, und wünschen Ihnen allen einen guten Anblick und viel Waidmannsheil!
Ihr
Oliver Dorn | Chefredakteur