Back to the roots

| Text: Anna Lena Kaufmann |

Rückepferde prägten jahrhundertelang das Bild der Forstwirtschaft – bis die Maschinen kamen. In-zwischen lebt diese uralte Tradition zum Wohle der Waldgesundheit wieder auf. Manchmal sogar unter weiblicher Führung. Karen Kiffner aus dem thüringischen Weißbach ist eine der wenigen Frauen in diesem Metier. Mit ihrem Kaltblüter Orlando verbringt sie bodenschonend Stämme von A nach B.

Orlando macht seinem Namen alle Ehre. „Der Ruhmreiche im Land“ praktiziert ökologische Forstwirtschaft par excellence, indem er allein mit seiner Körperkraft gefällte Bäume behutsam durch den Wald bugsiert, auf Forstdeutsch „Rücken“ genannt. Der stattliche Sächsisch-Thüringische Kaltblüter ist der ganze Stolz von Karen Kiffner. Mit Orlando hat sich die 48-Jährige einen Kindheitstraum erfüllt. „Das Holzrücken hat mich schon immer begeistert. Zu DDR-Zeiten war es noch recht populär, damals gab es in den Staatsbetrieben oftmals eigene Forstpferde. Es hat so was Uriges, Bodenständiges“, schwärmt die gebürtige Magdeburgerin.

Heute lebt sie auf einem ehemaligen Rittergut (erbaut anno 1072) im thüringischen Saale-Holzland-Kreis und nennt acht Pferde ihr Eigen, darunter auch eine Rückzüchtung des Wildpferdes. Hauptberuflich arbeitet Karen Kiffner als Physiotherapeutin. Ein Teil ihrer Tätigkeit umfasst auch die Hippotherapie, eine physiotherapeutische Behandlungsmethode, bei der das Pferd als Medium eingesetzt wird. „Es kommen Menschen mit vorwiegend neurologischen Erkrankungen zu mir. Oft sind es Kin-der mit angeborenen Schäden, die Spastiken haben oder im Rollstuhl sitzen. Ich betreue aber auch Erwachsene, zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder MS-Patienten“, so Kiffner. Das Holzrücken übe sie seit 2013 nebenberuflich als externe Dienstleisterin aus. „Der Schutz des Waldes liegt mir sehr am Herzen. Daneben schätze ich die Teamarbeit mit dem Tier. Es schweißt unheimlich zusammen. Wenn alles gut läuft und ich merke, dass das Pferd auch ein Erfolgserlebnis hat, gibt das einen tiefen Frieden in mir.“

Pferde sind bei der Holzernte heute Exoten, gleichwohl langsam wieder im Kommen, dabei liegen die ökonomischen und ökologischen Vorteile auf der Hand: Das Holzrücken mit Rückepferden ist nach-haltig und naturschonend, da der empfindliche Boden kaum verdichtet wird. Der Diplom-Geograf Jörg Voßbrink kommt sogar zu dem Schluss, dass „der Einsatz von Rückepferden im Wald die einzige Arbeitsweise ist, die keinen Schaden am Waldboden anrichtet.“ Zudem entstehen weniger Rückeschäden im Bestand; Rückegassen sind nur noch alle 40 Meter notwendig – und nicht wie bei der rein maschinellen Holzernte alle 20 Meter. Und noch ein wichtiger Aspekt spricht für diese fast ausgestorbene Form der Waldbewirtschaftung: Sie ist äußerst wildtierfreundlich. „Ein Wald, der sehr intensiv bewirtschaftet wird, bietet natürlich weniger Rückzugsorte, da das Unterholz fehlt. Dort, wo tagelang eine Maschine wütet, wird Lebensraum zerstört und das Wild verdrängt. Ein Pferd, das klappert viel-leicht mal mit der Kette, aber wirkt sich nicht so störend auf die Tierwelt aus“, sagt Karen Kiffner. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass es – im Gegensatz zu Maschinen, die zeitweise witterungsbedingt ihre Arbeit einstellen müssen – mit Pferden möglich ist, das ganze Jahr über zu rücken. Und das völlig emissionsfrei: Ein Pferd spare im Laufe seines Arbeitslebens rund 70 000 Liter Diesel! Natürlich kann ein Ross schon physisch keine Forstmaschine ersetzen, deshalb setzt man vielerorts auf eine Kombination: das Vorrücken bis zur Rückegasse durch das Pferd und das Endrücken und Poltern durch eine Maschine.

Etwa 10 bis 15 Prozent seines Körpergewichts kann ein gesundes, gut trainiertes Zugpferd über einen langen Zeitraum ziehen, ohne dass negative gesundheitliche Folgen zu erwarten sind. Bei einem 800 Kilogramm schweren Kaltblutpferd entspräche dies ungefähr einem Fichtenstamm mit 0,25 Festmeter Stückmasse, gezogen auf einem typischen Nadelholzboden. Kurzfristig kann ein Pferd bis zu 50 Prozent seines Körpergewichts ziehen – unter den genannten Bedingungen wäre dies ein Stamm von etwa 0,8 Festmetern. Diese Einflussfaktoren auf die Belastbarkeit hat Vera Hoffmann in ihrer „Untersuchung physischer Beanspruchung des Pferdes bei Rückearbeiten“ analysiert.

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