Baumfäller und Baumeister
| Text: Dr. Volker Pesch |
Die Wiederansiedlung des Bibers in Deutschland gehört zu den großen Erfolgsgeschichten des Natur- und Artenschutzes. Aber wo Biber leben, kommt es oft auch zu erheblichen Schäden. Vielerorts wird der Ruf nach Bejagung lauter.
Im Laufe der vergangenen Jahrhunderte wurden die Biber in Mitteleuropa weitgehend ausgerottet. Bis auf ein Inselvorkommen an der Elbe erloschen auch in Deutschland alle Populationen. Ursächlich dafür waren weniger Habitatfaktoren wie Gewässerverschmutzung, Begradigung von Flussbetten oder Flächenversiegelungen als vielmehr die Bejagung durch den Menschen.
Denn ein Biber war seit jeher begehrte Beute: Das dichte Fell auf festem Leder machte ihn zum „König der Pelztiere“, und sein Fleisch galt als nahrhaft und wohlschmeckend. Aufgrund seiner halb aquatischen Lebensweise wurde er über Jahrhunderte den Fischen zugeordnet. In der Folge war die Bejagung respektive Fischerei kein Adelsprivileg, und die Kirche erlaubte Biberfleisch als Fastenspeise. Außerdem ließ des Bibers schlechte Angewohnheit, Bäume zu benagen, den ein oder anderen Forstmann zum Fallensteller werden. Schon das war Grund genug für eine scharfe Bejagung mit allem, was sich die Fallenkonstrukteure ausdenken konnten.
Noch wertvoller als Pelz und Fleisch war aber das sogenannte Bibergeil oder Castoreum, ein Sekret, das den Tieren beiderlei Geschlechts zur Fellpflege und Markierung dient. Es findet sich in zwei etwa hühnereigroßen Beuteln unterhalb des Afters. Der talgartigen, streng riechenden Substanz wurde eine magische Heilkraft zugesprochen: Bibergeil sollte helfen gegen Vergiftungen, Infektionen, Nervenkrankheiten, Kopfschmerzen und viele andere Beschwerden. Dementsprechend teuer wurde es gehandelt, und zwar nahezu weltweit. Auch das Fett, der Schwanz („Kelle“ genannt) und die Zähne des Bibers dienten auf vielfältige Weise medizinischen oder schamanischen Zwecken.
In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurden aber auch schon erste Schutzmaßnahmen und Versuche zur Wiederansiedlung unternommen. Örtlich setzte man Biber um oder siedelte Kanadische Biber an. Regional mit großem Erfolg. Im Peenetal beispielsweise fanden Mitte der 70er-Jahre 23 Elbebiber aus der Nähe von Dessau ein neues Zuhause, und Anfang der 90er-Jahre wurden 11 Biber am Flüsschen Warnow bei Rostock ausgesetzt. Offensichtlich hat es ihnen im Land gefallen, denn heute wird der Gesamtbestand Mecklenburg-Vorpommerns auf 2 000 bis 3 000 Tiere geschätzt. Insgesamt leben in Deutschland inzwischen wieder mehr als 30 000 Biber, rund zwei Drittel davon in Bayern. Die restlichen verteilen sich mehrheitlich auf die Länder der ehemaligen DDR sowie Baden-Württemberg und Niedersachsen. Auch in den übrigen Ländern nehmen die Bestände stetig zu, wenngleich derzeit noch auf niedrigem Niveau. In Nordrhein-Westfalen etwa belaufen sich die letzten Schätzungen auf rund 750 Exemplare.
Ein faszinierendes Tier
Castor fiber, der Europäische oder auch Eurasische Biber, ist das größte Nagetier Europas. Männchen und Weibchen sind äußerlich kaum zu unterscheiden. Ausgewachsene Exemplare können eine Länge von einem Meter plus Schwanzlänge und ein Gewicht von rund 30 kg erreichen. Ihre Körper wirken an Land eher plump und gedrungen, im Wasser sind die Tiere aber flink und wendig.
Beim Schwimmen halten Biber Augen, Nase und Ohren über Wasser, aber sie sind auch ausgezeichnete Taucher und können bis zu 15 Minuten unter Wasser bleiben. An den Hinterfüßen haben sie Schwimmhäute, die Vorderfüße sind mit fünf Fingern zum Greifen ausgebildet. Ihr Fell mit längeren Grannen ist graubraun bis braunschwarz, an der Unterseite heller. Die dichte Unterwolle hält beim Schwimmen und Tauchen Luft zwischen den Haaren und sorgt so für Wärmeisolation. Ihre schuppige Kelle dient als Steuer, Kommunikationsmittel und Fettreserve.
Dennoch sind Biber natürlich keine Fische, sondern Säugetiere der Ordnung Nagetiere. Dementsprechend haben sie wie andere Vertreter dieser Ordnung stetig wachsende Schneidezähne. Die Annahme, ein Biber fresse auch Fisch, die sich noch in älteren Beschreibungen findet, ist falsch: Biber ernähren sich rein pflanzlich. Sie fressen Triebe, Knospen, Blätter und Rinde meist von Weichhölzern und verschmähen auch Feldfrüchte wie Rüben nicht.
Die dämmerungs- und nachtaktiven Tiere leben semiaquatisch, also an Land und im Wasser, wobei sich die Tiere selten mehr als drei bis vier Stunden pro Tag im Wasser aufhalten. Ihr Lebensraum sind meist langsam fließende Gewässer und deren Uferbereiche, wo sie auch ihre Burgen bauen. Biber leben territorial und monogam in Familienverbänden, Jungtiere werden mit zwei bis drei Jahren geschlechtsreif und suchen sich dann eigene Reviere.
Ein Biber wird bis zu 20 Jahre alt. Ausgewachsene Tiere haben keine natürlichen Feinde, nur die Jungen werden gelegentlich zur Beute von Füchsen, Seeadlern oder großen Raubfischen wie Hecht und Wels. Endoparasiten wie Würmer und Ektoparasiten wie Milben kommen vor, sind aber selten lebensbedrohlich. Deswegen steigt unter den Bedingungen eines strengen Schutzes die Populationsdichte in geeigneten Habitaten stetig an. Normalerweise beträgt der Abstand zwischen zwei Biberburgen mindestens zwei Kilometer, im Peenetal beispielsweise sind es heute im Schnitt nur noch 400 Meter. Solche Überpopulationen stressen die Biber, da sie ständig damit befasst sind, ihre Reviere zu verteidigen. Und aus jeder Bibergeneration machen sich zahlreiche Exemplare auf den Weg und besiedeln neue Lebensräume im Umkreis.
So ist der große Nager zu einem der Wappentiere des Natur- und Artenschutzes geworden. Ein putziger Gesell, Objekt der Fotobegierde und wichtiger tierischer Werbeträger für touristisch erschlossene Regionen. Jederzeit könnte ein Biber in einem Disney-Weihnachtstrickfilm die Hauptrolle spielen. Aber die Erfolgsgeschichte hat eine Schattenseite: Biber verändern die Landschaft. Sie fällen Bäume, bauen Dämme und stauen Gewässer. Ihre rege Bautätigkeit macht sie zu Ökosystemgestaltern, und nicht selten gehen sie dabei massiv zu Schaden.