Burn-out

| Text: Theo Fischer |

HALALI-Autor Theo Fischer ist Sachverständiger für Schalldämpfer und untersuchte im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie an der Universität Göttingen die Haltbarkeit und Leistung von Schalldämpfern über mehrere Tausend Schuss.

„Dämmleistung mindestens 32 dB(C)“, so werden allerhand Schalldämpfer in den Hochglanzkatalogen und Webseiten beworben, um damit zu zeigen, wie stark der Schalldruckpegel einer Waffe bei Verwendung dieses Dämpfers verringert wird. Der Ausdruck „Dämmleistung“ ist in diesem Zusammenhang längst jedem Jäger geläufig. Er suggeriert dem Kunden technische Überlegenheit gegenüber anderen Modellen. In diesem Zusammenhang wurde ich häufig gefragt: „Welcher ist denn nun der beste Dämpfer?“ Die Jagdpresse beantwortet diese Frage, sehr zu meinem Bedauern, häufig mit einem Vergleich angegebener Dämmleistungswerte. Kaufe den Dämpfer mit dem höchsten Dämmwert! Höchste Dämmleistung ist gleich bester Schalldämpfer.

Das ist schlichtweg falsch! Stellen wir die gleiche Frage zu einem Gegenstand Ihres täglichen Lebens: „Welches ist denn nun das beste Gewehr?“ Und der Verkäufer antwortet Ihnen: „Das mit dem dicksten Kaliber.“ Die richtige Antwort wäre beim Gewehr und beim Schalldämpfer die gleiche: „Es kommt darauf an, was Sie damit machen wollen.“ Und es kommt natürlich auch auf andere Aspekte der Verarbeitung und weitere Produktmerkmale an.

Was ist Dämmleistung?

Das, was Schalldämpferhersteller unter Dämmleistung verstehen, ist in Wirklichkeit keine echte Leistung im Sinne von Arbeit pro Zeit. Es handelt sich um einen Druckunterschied. Auch die Einheit Dezibel ist eigentlich nur eine Hilfsgröße, die einen Luftdruck, dessen Spitzenwert meist von einer Schallwelle herrührt, auf eine dekadisch logarithmische Skala projiziert.

Der Grenzwert für einen gehörschädigenden Spitzenschalldruck liegt für kurze Knallereignisse bei 140 dB(C), C steht dabei für einen Frequenzfilter, der auf Impulsschall angewendet wird. Das entspricht einer Druckdifferenz der Schallwelle von 200 Pascal. Das ist schon recht viel. Bei unseren Messungen konnten wir an Waffen des Kalibers .308 Win. Spitzenschalldrücke von teilweise 176 dB(C) messen. Das sind zunächst einmal nur 36 dB(C) mehr. Zumindest gaukelt uns das die logarithmische Dezibelskala vor. In der Realität entsprechen 176 dB(C) einem Druckunterschied von 12 620 Pascal. Das ist mehr als das 63-Fache der Schmerzgrenze.

Im Bereich des Arbeitsschutzes ist die Angabe von Dezibelwerten durchaus sinnvoll. Hier geht es meist auch um Dauergeräusche, wie z. B. Presslufthämmer oder Flugzeugturbinen. Die Anwendung der Dezibelskala als Qualitätsindikator von Schalldämpfern ist jedoch in meinen Augen völlig ungeeignet. Die logarithmisch umgewandelte Skala täuscht kleine Änderungen vor, hinter denen sich riesige Druckdifferenzen verstecken können. Des Weiteren sind solche Messungen fast nie vergleichbar. Über die technische Leistung eines Dämpfers gibt dieser Wert keine Auskunft.

Dabei wäre es höchst sinnvoll, eine echte Leistung für Dämpfer anzugeben. Diese würde aussagen, wie viel thermische (Wärme), kinetische (Geschwindigkeit) und potenzielle (Druck) Energie (in Watt) den heißen und unter Hochdruck stehenden Treibgasen entzogen wird. Dieser Wert wäre von äußeren Einflüssen ziemlich unabhängig und ließe sich auch als Relativwert in Form eines Wirkungsgrades ausdrücken. Schließlich würde eine solche Leistung im technischen Sinne auch etwas über die Qualität und das Leistungsvermögen eines Dämpfers aussagen.

Wie werden Dämmleistungen gemessen?

Die messtechnische Ermittlung von Schalldruckpegeln an Schusswaffen ist äußerst schwierig. Man benötigt für wissenschaftlich verwertbare Messungen ein Equipment mit einem Wert von rund 20 000 Euro. Vor allem sind Messmikrofone, die solch hohen Drücken standhalten, nur von wenigen Herstellern (z. B. Brüel & Kjær) zu erwerben. Hinzu kommt die Notwendigkeit einer extrem hohen Messauflösung, um den extrem kurzen Moment der Gasexpansion an der Mündung sauber aufnehmen zu können. Früher waren die Geräte hierzu noch nicht imstande, weshalb der Schusslärm einer .308 Win. in einschlägiger anerkannter Fachliteratur vor zehn Jahren noch mit 140 bis 150 dB(C) angegeben war, da die echte Druckspitze nicht genau aufgelöst werden konnte.

Zu allem Übel messen die Geräte im Resultat solcher Versuche einen Wert, der aufgrund der äußeren Umstände extrem (und damit meine ich wirklich extrem!) instabil ist. Faktoren wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck haben starke Einflüsse auf das Messergebnis. Ein ungedämpftes Gewehr hat morgens um 8 Uhr im kühlen Nebel einen deutlich höheren Spitzenschallpegel als mittags um 14 Uhr in der prallen Sonne, da die Druckwellenenergie in dichterer Luft ungedämpfter durch das Medium fließt.

In Deutschland steht zudem die Schießstandrichtlinie einer vergleichbaren Messung auf Schießständen entgegen. Schallreflexionen an Hochblenden, Seitenwällen und Schießstandbauten verfälschen das Messergebnis noch weiter. Fraglich sind daher auch die Aussagekraft und die Vergleichbarkeit von Schallmessungen von „unabhängigen“ Prüfanstalten in rundum verkapselten Raumschießanlagen. Einige Hersteller beziehen sich auf eine Messung nach Militärstandard. Gemeint ist damit das NATO Standardization Recommendation, kurz STANREC 4785. Diese Norm sieht eine Messung mithilfe von acht Hochdruck-Messmikrofonen vor, die im Halbkreis um die in vier Meter Höhe von einem Podest abgefeuerte Waffe angeordnet sind. Eine solche Messung findet unter genormten Umweltbedingungen auf völlig reflexionsfreien Ebenen von Schießplätzen der NATO statt. Eine solche Messung ist relativ gut vergleichbar, jedoch aufgrund des hohen Aufwands fast nur von Militäreinrichtungen durchführbar.

Im Ergebnis unserer Messung an der Universität Göttingen ergaben sich zum Teil völlig andere Messwerte als vom Hersteller angegeben. Hierbei stellte sich heraus, dass die Messungen teilweise mit Smartphones und einer entsprechenden App mit Ansteckmikrofon durchgeführt wurden. Der Endverbraucher kann die Plausibilität solcher Angaben jedoch kaum überprüfen.

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