Das Farbwunder

| Text: Annette Feldmann |

Das Gefleckte Lungenkraut, der Name verrät es, wurde in der Volksmedizin bei Erkrankungen der oberen Atemwege eingesetzt. Äußerlich zeichnet es sich durch den während der Blütezeit stattfindenden Farbwechsel von Rot zu Blau aus.

Eine Änderung des pH-Wertes ist verantwortlich: Die roten Blütenblätter färben sich kurz vor dem Verwelken blau. Ihr saurer Zellsaft wird alkalisch, sodass der Farbwechsel entsteht. Dabei sind noch nicht bestäubte Blütenblätter rot und die bereits bestäubten blau. Den weißen Flecken auf den Blattoberseiten – ebenfalls namensgebend – kommt auch eine botanische Besonderheit zu: Sie nehmen Wärme auf und schützen so die Pflanze während der kalten Jahreszeit.

Der lateinische Name der Pflanze geht auf das Wort „pulmo“ für Lunge zurück. Der Zusatz „officinalis“ bedeutet, dass das Lungenkraut für medizinische Zwecke genutzt und in Apotheken verkauft wurde; das Wort „Offizin“ bezeichnete früher den Laborraum einer Apotheke. Die volkstümlichen Namen für das Lungenkraut nehmen sowohl Bezug auf die Heilwirkung der Pflanze als auch auf die Tatsache, dass die Blüten die Farbe wechseln. Ungleiche Schwestern, Bayern und Franzosen, Hänsel und Gretel oder auch Ähnl und Ahnl (so viel wie Großvater und Großmutter) wird das Lungenkraut aufgrund der zweifarbigen Blütenstände in einigen Gegenden genannt. Sie ist aber auch als Blaue Schlüsselblume, Lungenwurz oder Luchslungenkraut bekannt. Weitere volkstümliche Namen sind Waldochsenzunge, Schlotterhose und Fleckenkraut.

Seinen volksmedizinischen Einsatz hat das Lungenkraut seinen hohen Anteilen an Schleim- und Gerbstoffen, Kieselsäure, Mineralien und Saponinen zu verdanken. So soll es Husten lindern und bei Atemwegsentzündungen helfen. Auch bei Durchfall und Darmbeschwerden wurde es eingesetzt. In seinem „Kreutterbuch desz hochgelehrten vnnd weitberühmten Herrn D. Petri Andreae Matthioli“ rühmte der italienische Arzt und Botaniker bereits im Jahre 1586: „Es wirt gelobt zu der Rhur, und wann nach dem hefftigen purgiren der Mensch sich bricht, und gar zu viel Stuhl hat.“ Auch „allzumal wider die Schwindsucht“ sei das Kraut „hülfreich“.

Auch der deutsche Mediziner und Botaniker Rudolf Jacob Camerarius preist das Lungenkraut: „… es heyle die Geschwäre an der Brust. Ich habs zwar versucht im Blutspeyen, und treffenliche hilff befunden.“ Dazu ließ er das Lungenkraut in „Wasser sieden, mit Rosenzucker abbereiten, und [gab] die Brühe den Krancken zu trincken.“ Gegen Husten und Halsentzündungen sollten nicht nur Brühen und Tees aus Lungenkraut helfen, sondern auch Lungenkrautbier, für das die Bestandteile der Pflanze in heißes Bier gerührt wurden. Selbstverständlich kann auch Pulmonaria officinalis mit einigen Legenden aufwarten. So glaubten etwa die Kelten, dass hustengeplagte Hirsche im Frühling besonders gern die jungen Blätter des Lungenkrauts fräßen, um Heiserkeit und Hustenreiz Einhalt zu gebieten. So erhielt die Pflanze in einigen Regionen auch die Bezeichnung Hirschmangold oder Hirschkotze.

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