Dekorative Kratzbürste

| Text: Gabriele Metz |

Wolle kämmen, Loden aufrauen, Flaschen säubern, heilen … Die Wilde Karde ist an Vielseitigkeit kaum zu übertreffen. Vermutlich ist das der Grund, weshalb die schöne Wildpflanze die Menschheit seit vielen Jahrhunderten – wenn nicht sogar seit Jahrtausenden – begleitet.

Ihren Namen verdankt die Wilde Karde ihren borstigen, walzenförmigen Blütenständen, die früher Einsatz beim Kardieren, dem Auskämmen von Wollfasern für das Verspinnen von Wolle, fanden. Auch beim Aufrauen von Mantel- und Lodenstoffen gehörte die Wilde Karde lange zu den beliebtesten Utensilien. Die Verwendung der getrockneten Blütenköpfe in der Textilverarbeitung bescherte der natürlichen Kratzbürste zahlreiche weitere Bezeichnungen: Walkerdistel, Webersträhl, Igelkopf, Kardätschendistel und Kratzkopf sind nur einige davon. In Europa baute man die hilfreiche Wilde Karde über Jahrhunderte hinweg gezielt an und wertschätzte sie sehr. Spuren dieser Erfolgsgeschichte finden sich beispielsweise beim Kräuter-Heilkundler Hieronymus Bock, der 1539 Karden beschreibt, die Weber in ihren Gärten anbauten. Auch das Wappen der englischen Tuchmacherzunft ist ein aus-sagekräftiger Zeitzeuge. Es zeigt drei gekreuzte Karden.

Als Heilpflanze ist die stachelige Schönheit seit der Antike bekannt. Sie kommt traditionell bei Verdauungsbeschwerden, Hauterkrankungen, Gicht und Rheuma zum Einsatz. Die in ihr enthaltenen Saponine, Bitterstoffe und Glykoside konzentrieren sich vor allem in den Wurzeln, die in getrockneter Form bei Heilbehandlungen im Fokus stehen und zu diesem Zweck zu Tinkturen verarbeitet oder als Tee aufgegossen werden. Als alkoholische Tinktur und in Form von Globuli kommt die Wilde Karde in der Homöopathie zur Behandlung von Warzen, Akne und kleineren Verletzungen zum Einsatz. Ihre Wirksamkeit im Zusammenhang mit Borreliose-Erkrankungen wird ebenfalls diskutiert. Die einheimische Wildpflanze, die zur Familie der Geißblattgewächse (Caprifoliaceae) gehört, unterliegt einem zweijährigen Lebenszyklus. Man findet sie von Nordafrika über Mitteleuropa bis Westasien oft an Bächen und Flussläufen. Aber auch Schuttplätze, Bahndämme und Wegränder gefallen ihr. Eine lange Pfahlwurzel und eine imposante Blattrosette mit länglichen Blättern kennzeichnen die Wilde Karde im ersten Jahr. Nach der Überwinterung stängelt die Pflanze im Frühjahr auf und erhebt sich dann zu einer beeindruckenden Höhe von bis zu zwei Metern. Ab Juni betören an Disteln erinnernde, lilafarbene Blütenstände Bienen, Hummeln und Schmetterlinge.