Der Braunbär

| Text: Dr. Johanna Maria Arnold und Dr. Janosch Arnold |

Als Bedrohung und Nahrungskonkurrent wurde der Braunbär in weiten Teilen Europas ausgerottet, jetzt kehrt er in viele, ihm einst angestammte Lebensräume zurück.

Ein starker Typ

Schon allein optisch ist der Braunbär (Ursus arctos) ein imposantes Wildtier: Mit einem Herbstgewicht von durchschnittlich 250 bis 280 kg für einen männlichen Bären und 140 bis 160 kg für eine Bärin ist der große Beutegreifer einer der terrestrischen Top-Prädatoren. Der Braunbär hat einen massiven Kopf mit einer hervorstehenden Nase und wie viele andere Bärenarten kleine, abgerundete Ohren, kleine Augen und einen kurzen Schwanz. Er hat einen massiven und kraftvollen Körper mit einem Schulterhöcker, und er besitzt große Kraft – bis in seine langen Krallen. Die Fellfarbe variiert von Braun über viele hellere Nuancen bis hin zu Blond, aber auch fast Schwarz. Im Durchschnitt ist der Braunbär der zweitgrößte Bär nach dem Eisbären (Ursus maritimus), obwohl einige Braunbären genauso groß sind wie die größten Eisbären (Derocher 2012). Die Größe hängt eng mit der Menge an Fleisch zusammen, die sie fressen, insbesondere Lachs (Hilderbrand et al. 1999). So kommen die größten Braunbären Eurasiens auf Kamtschatka vor (Kurtén 1973), wo sie Zugang zu Lachsen haben.

Eine Studie untersuchte die Größenverhältnisse in Europa und zeigte, dass es keine Unterschiede zwischen Nordeuropa (Schweden und Norwegen) und Südeuropa (Kroatien und Slowenien) gibt (Swenson et al. 2020). Die Körpergewichte betrugen in Südeuropa im Frühjahr 115 kg und im Herbst 141 kg für Bärinnen, entsprechend 248 kg bzw. 243 kg für Männchen. Das Gewicht der nördlichen Bärinnen lag im Frühjahr bei 96 kg und im Herbst bei 158 kg. Die Männchen waren schwerer: 201 kg im Frühjahr bzw. 273 kg im Herbst. So hatten Männchen im Frühjahr etwa doppelt so viel Masse wie Weibchen und im Herbst etwa 1,7-mal so viel. Hier spielt auch die Winterruhe eine Rolle: Sie dauert im Norden doppelt so lange wie im Süden. So nahmen die nördlichen Bären vor der Winterruhe mehr an Körpermasse zu und verloren während der Winterruhe mehr als die südlichen Bären (Swenson et al. 2007). An der russischen Pazifikküste werden die Braunbären mit bis zu 400 kg am schwersten.

Die Braunbärenfamilie

Der Braunbär ist ein Säugetier und gehört zur Familie der Bären (Ursidae). In seinem Verbreitungsgebiet Eurasien und Nordamerika kommt er in mehreren Unterarten vor, so z. B. die Nominatform Europäischer oder Eurasischer Braunbär (U. a. arctos), der Grizzlybär (U. a. horribilis) und der Kodiakbär (U. a. middendorffi). Auf der Roten Liste der International Union for Conservation of Nature (IUCN) stehen lediglich Braunbärenpopulationen, keine Unterarten. Derzeit geht man von sieben (Swenson et al. 2020) bzw. 14 (WWF 2023) existierenden Bärenunterarten aus. Der Braunbär ist die am weitesten verbreitete Bärenart, er kommt in Teilen Nordamerikas, Europas und Asiens vor. Viele Populationen gelten als teils stark voneinander isoliert (IUCN 2023). Die Art verschwand im 16. Jahrhundert aus Ägypten und im 19. Jahrhundert aus Algerien und Marokko und gilt daher in Nordafrika als ausgestorben (Manlius 1998, Hamdine et al. 1998). In Europa ist der Braunbär in den letzten Jahrhunderten aufgrund des hohen menschlichen Drucks und der Verfolgung als Nahrungskonkurrent sowie als potenzieller Gefährder des Menschen und auch infolge des Verlusts von Lebensräumen und des Klimawandels in vielen Ländern verschwunden (Albrecht et al. 2017). Das Verbreitungsgebiet nimmt auf dem Kontinent, ohne Russland, etwa 1,2 Millionen km2 ein, mit einer geschätzten Population von 17 000 Individuen in zehn Populationen (Huber 2018).

Von Spanien bis nach Japan

Die größte Braunbärenpopulation lebt in Russland, diese wird auf über 200 000 Individuen geschätzt, doch diese Schätzung und ihr Trend in den letzten Jahrzehnten variieren stark im Vergleich der einzelnen Quellen (Kudrenko 2018). Mehrere kleine und isolierte Populationen kommen in Süd- und Westeuropa vor (Alpen und Abruzzen in Italien, Kantabrien in Spanien und Pyrenäen zwischen Spanien und Frankreich [Ciucci et al. 2015, Groff et al. 2018]). Der Status der Braunbärenpopulationen ist in Asien außerhalb Russlands kaum bekannt. Eine große Population ist im türkischen Kleinen Kaukasus mit Populationen in Georgien, im Iran und im Nord-irak verbunden (Ambarlı et al. 2018). Bären kommen auch in Nordgeorgien, Armenien und Aserbaidschan sowie im Westen und Norden Irans vor (McLellan et al. 2017). Weitere verstreute Populationen leben im Himalaja, in Pakistan und Nepal, in Afghanistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan (Swenson et al. 2020). Die wohl isolierteste Population kommt in der Wüste Gobi im Süden der Mongolei vor (Tumendemberel et al. 2015). Schließlich gibt es noch eine größere Population in Hokkaido, Japan (Mano 2006)

Das ideale Zuhause – Nahrung und Rückzugsorte

In ihrem riesigen Verbreitungsgebiet bewohnen Braunbären eine Vielzahl von Lebensräumen (Swenson et al. 2020). Ein idealer Lebensraum zeichnet sich durch Gebiete mit hochwertiger Nahrung und Rückzugsorten zum Ausruhen, Aufziehen von Jungen und Überwintern aus (Nawaz et al. 2014). Braunbären leben häufig in großen, zusammenhängenden Wäldern, die von Urwäldern und naturnahen Wäldern bis hin zu bewirtschafteten Wäldern reichen und eine Vielzahl von Baumartenzusammensetzungen und bioklimatischen Zonen aufweisen (Zedrosser et al. 2001). Aber nicht nur waldreiche Gebiete werden genutzt: Bären kommen auch in offenen Landschaften wie Steppenökosystemen und Agrarlandschaften gut zurecht. Studien zeigen, dass sie Getreidefelder mit Mais, Weizen, Hafer und Gerste sowie Weinberge und Obstgärten nutzen (Skuban et al. 2017). Dadurch kommen sie in direkten Kontakt mit Menschen und ihrer Infrastruktur, was häufig zu verstärkten Mensch-Bär-Konflikten führt (Skuban et al. 2017).

Die meisten Braunbären in südlichen Breiten leben in Laub- und Mischwäldern mit gemäßigtem Klima und ausgeprägten warmen und kalten Jahreszeiten (Zedrosser et al. 2001). Sie fühlen sich in Nadel- und Laubwäldern sowie Mischwäldern wohl, wo-bei ihnen Buchen, Eichen und Hasel im Herbst wichtige Nahrungsmittel liefern. In Italien, Spanien, Bulgarien, Griechenland, in der Türkei sowie im Irak und in Syrien leben sie zudem in von Grasland und Strauch-gebieten durchsetzten mediterranen Wäldern. In vielen Regionen haben sich die Bären an eine mosaikartige Landschaft mit teils hoher menschlicher Prägung angepasst (Malcom et al. 2002). In höheren Lagen in Europa, Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan, Kasachstan, China und Japan sowie in einigen Teilen Indiens,  Nepals, der Mongolei und der Türkei bewohnen Braunbären gemäßigte Nadelwälder.

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