Der Clown der Sümpfe – Epagneul de Pont-Audemer

| Text: Angelika Glock |

Seltene Jagdhundrassen führen in der modernen Jagdpraxis meist ein Nischendasein – und doch besitzen sie häufig besondere Qualitäten, die sie für bestimmte Jagdsituationen nahezu unersetzlich machen. Ein Paradebeispiel ist der Epagneul de Pont-Audemer, ein französischer Vorstehhund, der sich seit jeher als widerstandsfähiger, ausdauernder und unermüdlicher Stöber- und Apportierhund für sumpfiges Gelände bewährt. Sein freundliches, ruhiges Wesen und seine enge Führerbindung machen ihn zum idealen Begleiter für Wasserjäger, seine Qualitäten zeigt er aber auch im Feld.

Die Société Centrale Canine (SCC), der französische nationale Dachverband für Hundezucht innerhalb der FCI, bemerkt über den Epagneul de Pont-Audemer, der in Frankreich häufig auch kurz als „Ponto“ bezeichnet wird: „Aufgrund seines Körperbaus und seiner relativen Seltenheit ist der Pont-Audemer-Spaniel zweifellos ein Originalitätsträger. Mit seinem lockigen Schopf, der seinen Schädel bedeckt, und seinen langen, üppig mit lockiger Seide bedeckten Ohren scheint er eine Perücke aus der Zeit des Grand Siècle zu tragen, die seinen Kopf perfekt umrahmt. Das leicht zottelige, lockige Haar ist bis auf sein Gesicht an keiner Stelle seines Körpers glatt. Sein braunes Fell mit den stichelhaarigen Flecken weist Reflexe von totem Laub auf. Dieser stämmige, kräftige Spaniel, dessen Größe zwischen 52 und 58 cm variiert, ist fast quadratisch. Sein sehr dichtes Fell ermöglicht es ihm, selbst bei kältesten Temperaturen im Wasser zu arbeiten und sich auch im dichtesten Dickicht und Gestrüpp zu behaupten. Er ist ein robuster und mutiger Hund, ein treuer und fröhlicher Begleiter.“

Spaniel oder Vorsteher?

Mit diesem Zitat ist die Rasse zwar bereits sehr treffend umschrieben, der aufmerksame Leser wird sich dennoch fragen: „Weshalb ist in diesem Fachtext von einem ‚Spaniel‘ die Rede?“ Nun, selbst im offiziellen Rassestandard des Epagneul de Pont-Audemer ist unter „Klassifikation FCI“ festgehalten: „Kontinentaler Vorstehhund, Typ ‚Spaniel‘“.

Der historisch gewachsene Begriff „Épagneul“ hat seine etymologischen Wurzeln im Spanischen und bedeutet ins Deutsche übersetzt „Spaniel“. So werden die französischen Vorstehhunde („chiens d’arrêt“) häufig als Spaniels bezeichnet, weil sie historisch unter anderem aus spanischen Jagdhunden, die seit dem Mittelalter durch Handelskontakte und Adelsreisen in Frankreich Verbreitung fanden, hervorgingen, morphologisch Ähnlichkeiten zu klassischen Spaniels aufweisen und ihre Arbeit (Wasserarbeit, Stöbern) den klassischen Spaniel-Einsatzgebieten entspricht – auch wenn sie funktional Vorstehhunde sind. Die französischen Epagneuls (beispielsweise der Pont-Audemer, der Picard und der Bleu de Picardie) ähneln in Körperbau und Fellstruktur den klassischen englischen Spaniels: kompakt, lockiges Fell und teilweise mit einem charakteristischen Schopf auf dem Schädel.

Während viele Vertreter wie die Braque Français oder der Epagneul Breton bis heute eine stabile Population aufweisen, nimmt der Epagneul de Pont-Audemer eine Sonderstellung ein. Er gilt als einer der seltensten Vorstehhunde Europas, und er verkörpert den Geist der französischen Wasservogeljagdtradition auf einzigartige Weise. Seine enorme Wasserpassion ist nahezu sprichwörtlich, zudem wird ihm die feinste Nase unter den Epagneuls attestiert.

Entwicklung der Rasse

Der Epagneul de Pont-Audemer entwickelte sich im 19. Jahrhundert in der Normandie, insbesondere in der wasser- und sumpfreichen Umgebung von Pont-Audemer. Sein Name bezieht sich auf jene Kleinstadt zwischen Le Havre und Rouen, die für ihre Gewässer bekannt ist (zwischen zwei Flussarmen der Risle liegend, wird die Stadt heute auch als „Venedig der Normandie“ bezeichnet). Dort also kreuzte man lokale Spanieltypen vornehmlich mit Irish und English Water Spaniels, die durch britische Jäger in diese Region gelangt waren. Vermutlich wurden auch Setter und Pointer sowie der Barbet, eine sehr alte französische Wasserhundrasse, eingekreuzt. Das Resultat war ein kompakter, wasserliebender Hund mit starkem Jagdinstinkt, der sich hervorragend für die Arbeit in Sumpf- und Küstengebieten eignete. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, um das Jahr 1886, begann der damalige Präsident der Société Centrale Canine, James de Connick, mit der gezielten Zucht der Rasse. Von dort aus verbreitete sich der Epagneul de Pont-Audemer vor allem in der Normandie. Die mühsam aufgebauten Zuchtlinien erlitten jedoch während des Zweiten Weltkriegs schwere Rückschläge, sodass die Population stark zurückging. Im Jahr 1949 unternahm Robert Gréaume, der damalige Präsident des alten Pont-Audemer-Zuchtvereins, den Versuch, die Rasse erneut zu beleben. Trotz dieser Bemühungen blieb der Epagneul de Pont-Audemer auch in seiner Heimat ein seltener Hund. Im Jahr 1980 wurde der ursprüngliche Zuchtverein mit dem Club Epagneul Picard und Bleu de Picardie zusammengeschlossen. 1954 wurde die Rasse von der Fédération Cynologique Internationale (FCI) offiziell anerkannt.

Das Hauptverbreitungsgebiet des Epagneul de Port-Audemer ist Frankreich, sehr wenige Hunde findet man in Deutschland, den Niederlanden, Finnland und Großbritannien. In der Welpenstatistik des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH) e. V. wird die Rasse seit 2005 nicht mehr geführt.

Nach Angaben des Vereins für französische Vorstehhunde VBBFL e. V., der die Rasse in Deutschland betreut, existieren weltweit nur maximal 250 Hunde, in Frankreich, dem Ursprungsland der Rasse, gab es im letzten Jahr lediglich zwei Würfe, einer davon fiel mit acht Welpen am 06. Juni 2024 in der Zuchtstätte „Des Lauriers de Barberousse“ in Cambron.

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