Der Hummel-Magnet
| Text: Annette Feldmann |
Wiesensalbei kann, genau wie sein Verwandter, der Echte Salbei, als Gewürz- und Heilpflanze genutzt werden. Allerdings ist er in Wirkung und Geschmack weniger intensiv.
In unserer Küche mag der Wiesensalbei vielleicht eine untergeordnete Rolle spielen. Für Bienen und vor allem für Hummeln ist er jedoch der absolute Hit: Um nicht zu verhungern, brauchen Hummeln vom Frühling bis zum Herbst ein ununterbrochenes Nahrungsangebot, und der Wiesensalbei bietet von Ende April bis in den Spätsommer hinein eine ideale Nektarquelle. Dank ihrer langen Saugrüssel gelangen Hummeln problemlos an den Nektar und nehmen dabei gleichzeitig Blütenpollen huckepack, die sie auf anderen Pflanzen wieder abstreifen und so für die Bestäubung sorgen.
Auch Wildbienen, Schmetterlinge und Tagfalter, wie zum Beispiel Bläulinge, Schwalbenschwanz und Co., steuern den Wiesensalbei gerne an. Die Pflanze ist also ideal für den Blühstreifen im Revier oder eine Bienenweide im Garten, zumal sie weitere Vorteile bietet: Wiesensalbei ist mehrjährig und ziert die Umgebung lange mit seiner wunderschönen Blütenpracht.
Der Wiesensalbei benötigt viel Sonne. Er bleibt steril, wenn er weniger als 20 Prozent seines normalen Lichts bekommt. Außerdem ist er dank seiner einen Meter langen Pfahlwurzeln sehr standorttreu. Sie sorgen dafür, dass er auch bei Trockenheit genügend Nährstoffe erhält. Wenn der Standort im Revier sonnig genug ist, verzeiht der Wiesensalbei es auch gern, wenn der Boden nicht ganz so kalkhaltig ist, wie er es eigentlich bevorzugt.
Wem der Geschmack des Küchen- beziehungsweise Gartensalbeis (Salvia officinalis) ein bisschen zu stark ist, wird sich über den Wiesensalbei freuen, der in Wirkung und Geschmack viel milder ist und mindestens ebenso wunderbar duftet. Gerade in Wildsalaten macht er viel her und verleiht ihnen eine ganz dezente Salbeinote. Sowohl Blüten als auch Blätter eignen sich zum Verzehr, wobei Letztere am besten recht klein geschnitten werden sollten, damit die feinen Härchen nicht im Mund kratzen und das Geschmackserlebnis beeinträchtigen. Als essbare Dekoration sorgen die blauvioletten Blüten nicht nur für einen Gaumen-, sondern auch für einen Augenschmaus.
Wer sich die heilenden Eigenschaften des Wiesensalbeis zunutze machen möchte, erntet und trocknet die Blätter. Sie enthalten unter anderem ätherische Öle, Gerbsäure, Flavonoide, östrogenartige Substanzen sowie Bitterstoffe. Als Tee aufgebrüht, sollen sie beispielsweise gegen übermäßiges Schwitzen, Menstruations- und Wechseljahrsbeschwerden sowie Erkrankungen der Atemwege und gegen Verdauungsbeschwerden helfen. Bei Zahnschmerzen, Hals- oder Zahnfleischentzündungen haben sich Spülungen beziehungsweise Gurgellösungen bewährt; zur äußerlichen Anwendung eignen sie sich bei Ekzemen, Hauterkrankungen und Insektenstichen.
Nach dieser Auflistung verwundert es nicht, dass das Wort „Salvia“ für „Salbei“ auf das lateinische „salvus“ zurückgeht, das so viel heißt wie „gesund“, „wohlbehalten“, „heil“ oder auch „unversehrt“. Der Zusatz „pratensis“ bezieht sich ganz einfach auf den Lieblingsstandort der Pflanze. Das Wort bedeutet „auf Wiesen wachsend“.
Ein Pflanzenporträt wäre natürlich kein Pflanzenporträt, könnte es nicht zumindest eine Eigenschaft aus dem Volksglauben aufweisen. Gertrud Scherf führt den Wiesensalbei in „Die geheimnisvolle Welt der Zauberpflanzen und Hexenkräuter“ (erschienen 2007 im blv Verlag) als Beispiel für eine Schutzpflanze an. Schädlinge wie Mäuse oder Ratten wurden früher auch „von übelmeinenden Menschen als angezaubert“ angesehen. In einigen Gegenden sollte am „Ulrichstag (4. Juli) gepflückter blau blühender Wiesensalbei“ sie vertreiben helfen.