Der Wald in Zeiten des Klimawandels

| Text: Dr. Johanna Maria Arnold |

Die Folgen der klimatischen Veränderungen und deren negativen Auswirkungen sind sichtbar geworden. Das „Waldsterben“ ist wieder in die Mitte der gesellschaftlichen Diskussionen gerückt, und die Forstwirtschaft ringt um zukunftsweisende Lösungen. Veränderungen in der Baumartenzusammensetzung und Waldbewirtschaftung werden auch Veränderungen für die Wildtiere bringen.

Der deutsche Wald und die Forstwirtschaft

Mit dem Wald besonders verbunden: Er ist Sehnsuchts- und Dunkelort zugleich, Erholungsraum und Produktionsstätte (siehe auch „Unser grünes Herz“ in HALALI 02/2017 ab Seite 108). Er ist Heimat und Rückzugsort vieler teils seltener Pflanzen- und Tierarten. Pilze, Flechten und Moose bedecken den Boden und die Stämme. Er spendet frische Luft und sauberes Trinkwasser und scheint von den vielen Anforderungen schier erdrückt zu werden. Jetzt schwebt auch noch das Damoklesschwert des bereits fortschreitenden Klimawandels über ihm. Die Auswirkungen sind sicht- und spürbar, und die Befürchtungen, der Wald könnte seine vielfältigen Aufgaben nicht mehr bewältigen, mehren sich.

Der Wald spielt beim Klimaschutz eine wichtige Rolle: Er speichert das den Klimawandel anheizende Kohlendioxid (Kohlendioxidsenke) (Wellbrock et al. 2014; Song et al. 2019). Die Forstwirtschaft hat also eine hohe Verantwortung, wenn es darum geht, die Waldbestände zu bewirtschaften und auch die Effekte des Klimawandels abzupuffern. Das hat auch der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik in einem Klimaschutzgutachten festgestellt. Darin stellt er fest, dass die Treibhausgas-Emissionen für Deutschland ohne das System Wald-Forst-Holzverwendung um 14 Prozent höher wären. Auch der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung betont die Leistungen bewirtschafteter Wälder, drängt aber darauf, mehr Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft zu beziehen (AFZ-Der Wald 2019).

Besorgnis ergriff die deutsche Forstwirtschaft, als die Zahlen zum Betriebsjahr 2018 durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) veröffentlicht wurden. Die Auswirkungen der Sturmschäden 2017/18 und der darauffolgenden längsten Dürreperiode seit Beginn der Wetteraufzeichnungen mit konsequenten Borkenkäferkalamitäten haben ihren Tribut gefordert: So fielen in 2018 rund 32,4 Mio. Kubikmeter Kalamitätsholz an. Diese Schäden wurden durch Stürme, Borkenkäferbefall und Dürre verursacht (BMEL 2019). Hinzugekommen sind weitere Tausende Hektar vertrocknete Kulturen. Auch für das Jahr 2019 wird mit ähnlichen Zahlen gerechnet. Ansteigend ist auch das Auftreten anderer Schadinsekten wie Nonne oder Kiefernspinner, denen die vom Klimawandel in ihrer Widerstandskraft geschwächten Bäume weniger entgegenzusetzen haben. Einen Anstieg gibt es auch in den Pilzinfektionen oder anderen Baumkrankheiten, wie die Rußrindenkrankheit an Ahorn (AFZ-Der Wald 2019).

Erste Reaktionen seitens der Politik auf diese drastischen Zahlen waren die Aufhebung des Kabotageverbots beim Rundholztransport und neue Fördermaßnahmen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK), für die der Bundestag zweckgebunden zusätzlich eine Summe von 25 Mio. Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren bereitgestellt hat. Diese soll zur Bewältigung der Schäden eingesetzt werden; weitere Fördermaßnahmen sollen die Bundesländer in eigener Zuständigkeit evaluieren und implementieren. Auch der Waldklimafonds der Bundesregierung sowie das Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ unterstützen Projekte zur Anpassung der Wälder an die Anforderungen des Klimawandels; ab 2019 werden jährlich 25 Mio. Euro über den Waldklimafonds zur Verfügung gestellt (AFZ-Der Wald 2019).

Ein von Bund und Länder entwickeltes umfassendes und kontinuierliches Monitoring soll Schäden und Schadensrisiken dokumentieren. Damit entsteht ein Entscheidungsinstrumentarium für weitere Maßnahmen zur Risikominimierung gegenüber den Folgen des Klimawandels. Auch der Umbau der Holzvermarktung aus dem Privat- und Körperschaftswald wird gefordert, bei dem die forstlichen Zusammenschlüsse des Bundes und der Länder über die GAK eine wichtige Rolle spielen. Weitere finanzielle Möglichkeiten sollen zwischen Bund und Länder abgestimmt werden.

Klimawandel und Wald – ein europäischer Blick

Europas Wälder bedecken mehr als 2 Mio. Quadratkilometer bzw. 32 Prozent der Landmasse. Ein Großteil der Waldflächen wird, meist intensiv, bewirtschaftet und ist Produktionsstätte der Holzindustrie (Lindner et al. 2009; Hanewinkel et al. 2012). Wälder sind besonders sensibel für die Auswirkungen des Klimawandels, sind doch ihre Leitorganismen, die Bäume, langlebig und weniger adaptiv für schnelle Anpassungen an Umweltveränderungen. Im Zusammenspiel mit dem Klimawandel gibt es zahlreiche Faktoren, die auf die Waldökosysteme wirken und Klimawandeleffekte verstärken oder abschwächen können. In den letzten drei Dekaden wurde verstärkt im Bereich des Klimawandels geforscht, und es ist faszinierend, wie Waldökosysteme reagieren können. Dennoch gibt es auch in diesem Bereich noch viel zu erforschen und zu entdecken.

Ein Blick auf den Einfluss des Menschen auf den Wald hilft für ein besseres Verständnis, welche Mechanismen durch den Klimawandel in Gang gesetzt werden (Lindner et al. 2019 u. a.). Des Menschen Einfluss auf das Erdklima wird immer offensichtlicher. Die klimatischen Daten belegen die Existenz einer globalen Erderwärmung. Die global betrachtet heißesten Jahre seit den Aufzeichnungen im Jahr 1880 lagen in dem Zeitraum zwischen 1990 und heute; die globale Durchschnittstemperatur stieg seit 1900 um 0,8 Grad Celsius (Hansen et al. 2006).

Und die aktuellen Prognosen zeigen einen weiteren Anstieg der Temperaturen; die Hitzesommer beispielsweise der Jahre 2003 und 2018 lassen erahnen, was uns erwartet. Christensen und Kollegen (2007) prognostizieren für das Jahr 2100 einen Anstieg von 2 Grad Celsius in Irland und Großbritannien, 3 Grad Celsius für Zentraleuropa und einen Anstieg von 4 bis 5 Grad Celsius für die nördliche boreale Zone und Teile der mediterranen Regionen. Die zukünftige atmosphärische CO2-Konzentration für den gleichen Zeithorizont wird mit mindestens 486 ppm (in manchen Szenarien sogar bis zu 1 000 ppm) projiziert (Nakicenovic et al. 2000), wobei die vorindustrielle Konzentration bei 280 ppm lag.

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