Die Lilie mit dem Turban

| Text: Annette Feldmann |

Wie diese Pflanze zu ihrem Namen gelangte, wird bei einem einzigen Blick auf ihre Blüten sofort klar. Um das heimische Liliengewächs, das auch in Gärten beliebt ist, ranken sich zahlreiche Legenden.

Wer hat’s erfunden? Die Namensherkunft des Türkenbunds ist nicht ganz geklärt, aber Mehmed I., Sultan des Osmanischen Reichs, soll während seiner Herrschaft Anfang des 15. Jahrhunderts eine neue Form des Turbans eingeführt haben, auf Türkisch angeblich „martagan“ – ähnlich dem aus dem Lateinischen entlehnten Wort „martagon“, dem Beinamen der Pflanze. Damalige Gelehrte hingegen sehen da eher einen kriegerischen Zusammenhang. 1683 standen die Türken vor Wien, und da müsse man ja zwangsläufig an den römischen Kriegsgott Mars und somit an das lateinische Wort „martigenus“ (von Mars geboren) sowie an das griechische Wort „agon“ (Kampf) denken, ergo „martagon“. Variante drei bezieht sich ganz einfach auf das türkische Wort „tülbent“ (Turbantuch, Batist), aus dem dann irgendwann der „Türkenbund“ wurde.

Ähnlich vielfältig sind die mittelalterlichen Vorschläge zur Wirkung und Nutzung des Türkenbunds. So schreibt beispielsweise 1563 der italienische Arzt und Botaniker Pietro Andrea Mattioli: „Die Alchimisten halten diss kraut in hohem werdt und sagen es habe ein kraft die Metall zu vereudern / das lass ich sie verantworten.“ Sprich: Dem Liliengewächs wurde gar das Potenzial zugesprochen, ganz normales Metall in Gold verwandeln zu können.

Von der „krafft und würckung“ der „Goldwurtz“, wie der Türkenbund auch genannt wurde, schreibt der deutsche Mediziner und Botaniker Leonhart Fuchs im 16. Jahrhundert in einem seiner Kräuterbücher: „So einer von den schlangen oder natern gebissen were / der sol die bletter / wurtz / und blumen nemen / unnd dieselbigen mit wein vermischt zerstossen.“ Doch nicht nur bei Schlangenbissen, sondern auch bei Geschwüren, Hämorrhoiden, Wunden und Schwindsucht galt der Türkenbund als probates Heilmittel.

Hexen und Teufel hatten ebenfalls keine Chance, sobald der Türkenbund ins Spiel kam. Um sich gegen dämonische Machenschaften zu schützen, reichte es, stets eine getrocknete Zwiebel des Türkenbunds dabeizuhaben. Und weil angeblich der Teufel dafür zur Verantwortung zu ziehen war, wenn Menschen von der Melancholie beziehungsweise Schwermut heimgesucht wurden, half die Pflanze laut der heilkundigen Klosterfrau Hildegard von Bingen auch in solchen Fällen. Zu diesem Behufe sollten die derart Geplagten lediglich eine gekochte Zwiebel des Türkenbunds in einem sauberen Stück Stoff mit sich tragen. Die Devise „Zwiebel umhängen – Problem gelöst“ traf auch auf den Umgang mit Babys zu. Ihnen hängte man eine Türkenbundzwiebel um den Hals, wenn sie ihre erste Zähne bekamen, um so ihren Schmerz zu lindern.

Die Wurzel des Türkenbunds ist sicher aus gutem Grund so gelb, dachten sich die Menschen damals. Daher kamen Kühe oft in den Genuss dieser Pflanze, damit sie Milch für goldgelbe Butter gaben. In einigen Teilen von Russland wird der Türkenbund, genauer dessen Zwiebel, sogar als Gemüse geschätzt. Der Geschmack überzeugt übrigens nicht nur Russen, sondern auch Rehe. Für sie und andere Wildtiere ist die Pflanze ein besonderer Leckerbissen – allerdings bevorzugen sie die feinen Knospen.

Großer Beliebtheit erfreuen sich Liliengewächse auch in der Kunst. Gerade die Türkenbundlilie taucht immer wieder auf Gemälden und verschiedenen Kunstwerken auf. Dafür muss man nicht zwingend die Bilder oder Triptychen alter Meister studieren: 2014 gab die Deutsche Post in der Dauerserie „Blumen“ eine Briefmarke für 4,40 Euro heraus, auf der eine Türkenbundblüte dargestellt ist.

Der Türkenbund ist wie viele Lilienarten und Hybriden aufgrund seiner farbenprächtigen und auffälligen Blüten schon seit vielen Jahren eine gern gesehene Gartenpflanze. Außerhalb der Gartenzäune gilt der Türkenbund in Deutschland zum Teil als gefährdet und ist nach Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt.

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