Die zweite Haut

| Text: Sven F. Goergens |

Säcklermeister Tobias Zant aus dem österreichischen Pinzgau fertigt Hirschlederhosen für die Ewigkeit. Kein Wunder, auch sein uraltes Handwerk gibt es ja schon seit über 1 000 Jahren.
Ein Werkstattbesuch

Säcklermeister Tobias Zant aus dem österreichischen Pinzgau fertigt Hirschlederhosen für die Ewigkeit. Kein Wunder, auch sein uraltes Handwerk gibt es ja schon seit über 1 000 Jahren. Ein Werkstattbesuch

Einige Male an seinem langen Arbeitstag tritt Tobias Zant vor die Tür seiner Werkstatt, um sich eine Zigarette anzuzünden. Nachbarn und Passanten nickt er freundlich zu, dann schweift sein Blick über die Kulisse seines Heimatstädtchens. Im Westen grüßt ihn die Schmittenhöhe, der Hausberg von Zell am See. Das kleine Gipfelplateau ist jetzt im Hochwinter tief verschneit, und auch auf dem Satteldach des romanischen Kirchturms am Dorfplatz stapelt sich die weiße Pracht. Die Zeller Pfarrkirche St. Hippolyt ist eine der ältesten Sakralbauten im Salzburger Land, ihre Kirchweihe fällt wohl in die Mitte des 12. Jahrhunderts.

Mindestens ein Jahrtausend alt ist auch der Beruf von Tobias Zant. Der 37-jährige Handwerker ist Säckler, er schneidert Lederbekleidung. Das tut seine Familie seit sieben Generationen. Der Großvater und dessen Vorfahren noch in der Steiermark, der Vater bereits hier in Zell am See, wo er Werkstatt und Ladengeschäft vor einem halben Jahrhundert eröffnete.

„Ins ererbte Handwerk gedrängt hat mich der Vater nie“, erzählt Tobias. „Aber ich liebte den Geruch nach Leder und das Knirschen der Scheren von Kindesbeinen an. Also habe ich beim Vater im Betrieb meine Lehre gemacht und 2006 die Meisterprüfung abgelegt.“

Am frühen Nachmittag wirft die Sonne ihre schrägen Strahlen auf die drei eichernen Arbeitsplatten, die Tobias mit der Werkstatt im Herzen von Zell von seinem Papa übernommen hat. Auf den Tischen entstehen Lederhosen, allesamt maßgeschneidert und Unikate. Die Fertigung dauert fast zwei Jahre, allein die Bestickung mit Ornamenten oder den beliebten Motiven aus Jagd und heimischer Tierwelt verschlingt viele Wochen. Tobias Zants Kundschaft muss sich also ein wenig in Geduld üben. Aber was sind schon zwei Jahre Wartezeit, wenn den stolzen Käufer dann die passgenaue Lederhose ein Leben lang begleitet?

Für die Langlebigkeit einer Lederhose ist nicht nur das sorgfältige per Hand von innen auf Stoß erfolgende Vernähen verantwortlich. „Entscheidend ist natürlich auch das Material“, erklärt Tobias und breitet eine große, schwere Lederdecke auf dem Tisch aus. „Ich verarbeite fast ausschließlich Leder vom Hirsch. Die Decke des männlichen Rotwilds wird in der Gerberei sämisch gegerbt, also mit organischem Fischfett behandelt, das übrigens auch gut hautverträglich ist.“

Zu Beginn der langen Kulturgeschichte der mitteleuropäischen Tracht stellten die Säckler überwiegend robuste Beinkleider für den Bergbau her, der auch im Salzburger Land damals florierte und der rauen Alpenregion zu einigem Wohlstand verhalf. „Hirschleder war bei den Gebrauchshosen zu dieser Zeit allerdings nicht die erste Wahl. Gegerbt und verarbeitet wurden die Häute von Nutzvieh, in erster Linie also Rindsleder, das viel günstiger herging“, erläutert Tobias.

So ein langes Beinkleid, das zum Schutz vor Verletzungen bei der harten Arbeit im Stollen bis über die Knöchel reichte, war keine Hose für die Ewigkeit, weshalb auch nur noch wenige historische Stücke aus dem ausgehenden Mittelalter erhalten sind. „Rasch aufgritten, schnell zamgrissen“ sei die vergleichsweise dünne Haut aus Rindsleder gewesen, sagt Tobias.

Beim widerstandsfähigen Hirschleder ist das nicht der Fall. Deswegen erlebte spätestens seit dem 18. Jahrhundert die klassische Hirschlederhose mit knöpfbarem Latz zum bequemen Hereinschlüpfen einen bis heute andauernden Siegeszug. Wobei die teure und reich verzierte Maßarbeit besonders gerne als Sonntagsputz zum Kirchgang getragen wurde. „Deshalb“, führt Tobias aus, der zur Historie der alpenländischen Lederhosentracht in seiner Werkstatt auch eine kleine Bibliothek zusammengestellt hat, „ist die typische Lederhose keine ganz kurze, sondern reicht züchtig bis über die Kniescheibe.“ Denn zu viel nackte Haut sah der Klerus bei der Messe nur ungern.

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