Ein Rucksack voller Erinnerungen

| Text: Gabriele Metz |

Der holländische Künstler Hans Bulder schöpft seine Inspiration aus der Veluwe, einem Waldgebiet in der niederländischen Provinz Gelderland, dessen abwechslungsreiche Naturlandschaft und vielfältiger Wildbestand einen reichen Fundus an Erlebnissen darstellen, die der Maler mit realistischem Pinselstrich auf die Leinwand bannt.

Blau, Gelb und Grün sind seine Farben des Frühjahrs. Satte, dunkle Grüntöne bestimmen den Sommer. Nebelbänke und die tiefer stehende Sonne läuten den Herbst ein. Diffuses Licht gibt im Winter den Ton an.

Hans Bulder will ihn sehen, muss ihn spüren. Er soll ihm durch und durch gehen – dieser einmalige Moment, der sich so tief einprägt, dass er einfach auf der Leinwand verewigt gehört. Der Künstler, den die Natur und die Tiere der gelderländischen Veluwe so sehr faszinieren, gehört zu den
gefragten realistischen Naturmalern. Lässt man sich in den Bann seiner Werke ziehen, wird deutlich spürbar, warum.

Wolken spiegeln sich im glasklaren Auge. Tasthaare schillern im Gegenlicht. Das Fell wirkt so echt, dass man die Hand ausstrecken und es berühren möchte. Typisch Hans eben. Hans Bulder. Die Gemälde des leidenschaftlichen Malers sind von einem verblüffend perfekten Naturalismus geprägt. Motive, die Leidenschaft entfachen, eingefangen bei ausgiebigen Streifzügen durch die Wälder und Felder der holländischen Provinz Gelderland. Hier in der Veluwe – diesem großen Waldgebiet, das sich über rund 1 100 Quadratkilometer erstreckt – fühlt sich Bulder zu Hause und findet all die Inspiration, die er für die Verwirklichung seiner Bilder braucht.

Im Wandel der Jahreszeiten

Seit vier Jahrzehnten ist diese einzigartige Naturlandschaft Quell seiner Schaffenskraft. Frühling, Sommer, Herbst und Winter: Der Künstler nimmt den Betrachter mit auf eine Reise durch die vier Jahreszeiten und schafft mit jedem Pinselstrich eine stimmungsvolle Atmosphäre in seinen Bildern, die nicht nur durch die Motive, sondern auch durch eine gekonnte Farbwahl bestechen. Der Autodidakt, der längst zum Meister reifte und hochkarätige Kunstsammler wie Prinz Bernhard der Niederlande, den Sultan von Oman, den niederländischen Staatssekretär Ad Ploeg oder auch den niedersächsischen Ministerpräsidenten, Ernst Albrecht, zu seiner Kundschaft zählt, begann im Alter von 23 Jahren mit der Malerei. Obwohl sein Vater selbst malte und als surrealistisch ausgerichteter Künstler unter anderem mit arkadischen Landschaften begeisterte, zog es den jungen Hans erst mal ans Schlagzeug. Er spielte in Bands, ging sehr gerne aus, wobei in ihm schon damals das Herz eines ausgemachten Naturliebhabers schlug. Doch zunächst sollte ein bodenständiger Beruf her: Hans startete eine Karriere als Zahntechniker, spürte jedoch bald, wie ihm die Enge des Labors die Luft abschnürte. Er wollte hinaus in den Wald, raus aufs Feld, zu den Tieren, in die Natur. Ganz tief durchatmen, visuelle Inspiration erfahren und diese auf die Leinwand bannen.

Wie im Rausch

Die erste Leinwand, auf der er sich versuchte, gehörte seinem Vater. Auch die zerbeulten, fast leeren Farbtuben stammten aus dessen Atelier. Bulder malte, malte und hörte nicht mehr auf. Er fiel in einen rauschartigen Zustand, den ein befreundeter Arzt besorgt unterbrach. Hans sollte lernen, Pausen zu machen. Mindestens einmal täglich hinaus in die Natur zu gehen. Er befolgte den Rat und fand erneut sein Gleichgewicht. 1976 entstand dann, was Bulder heute schmunzelnd sein „erstes vorzeigbares Gemälde“ nennt. Die erste Ausstellung fand in einem Hotel-Restaurant statt, und die lokale Presse veröffentlichte einen Artikel darüber. Das Interesse an Tiermotiven und realistischen Darstellungen war groß. Der Nachwuchsmaler zog zunehmend die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich, und schon folgten weitere Ausstellungen im Inland und erste Präsentationen im Ausland. Ein Riesenerfolg, der den Naturliebhaber mit dem gekonnten Pinselstrich mit Stolz erfüllte.

Bloß nichts vergessen

Tiere aus der Veluwe waren schon damals seine Lieblingsmotive. Sie gingen ihm nie mehr aus dem Kopf – seit der Zeit, in der er als kleiner Junge durch die Wälder rund um Apeldoorn streifte. Ein befreundeter Jagdaufseher begutachtete die ersten Werke. Bulder wusste genau, wo es guten Rat gab, denn wer hätte die Anatomie der Wildtiere besser kennen können als der passionierte Jägerfreund? Bulder begleitete Jäger in ihre Reviere und entwickelte dabei seine ganz eigene Art der Wildtierbeobachtung. Genau die übertrug er dann auf die Leinwand. „Und so erlebe ich die Begegnungen mit den Wildtieren immer zweimal, einmal bei der Beobachtung in der Natur und ein zweites Mal als Maler an der Staffelei. Wenn man ein Tier beobachtet, gibt es so viel zu entdecken, zuallererst die Körperhaltung und -spannung eines Tieres, seinen individuellen Bewegungsablauf und dann die Farben seines Körpers, seines Umfelds mit all seinen hellen und dunklen Partien“, berichtet Bulder, der stets Fotos von den Tierszenen macht, um nur ja kein Detail zu vergessen.

Diese einzigartigen Momente

Einfach etwas bildlich vor sich sehen, zu Pinsel und Farbe greifen, einfach drauflosmalen? Nein, das kann sich Bulder beim besten Willen nicht vorstellen. Er muss die Szene, die er später auf die Leinwand bannt, selbst erlebt haben. Nur so vermag er die Authentizität zu transportieren, die seinen Werken Leben einhaucht. „Auf diese Weise versuche ich jedem Bild eine Seele zu geben, in der sich Tier- und Naturliebhaber erkennen und spiegeln können. Manchmal erlebe ich im Wald Augenblicke, die sich mir quasi als bereits fertige Gemälde anbieten. Das sind Momente, in denen ich voller Bewunderung stehen bleibe und staune“, verrät Bulder.

Momente wie diese können ein Rehbock sein, der auf einer sonnendurchfluteten Lichtung im Wald steht und verhofft. Oder die prächtigen Farben des Eisvogels, der kurz auf dem Zweig über einem Bachlauf verweilt. Oder der wabernde Bodennebel, der das im Morgenlicht äsende Stück Wild an einem schillernden See geisterhaft umhüllt. Bulder gibt zu, dass er gar nicht genug bekommen kann von diesen Momenten. Ja, er will mehr und immer mehr davon.

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