Freizeitvergnügen mit Nährwert

| Text: Dr. Volker Pesch |

Intensive Landwirtschaft und Krankheiten machen den Honigbienen und ihren wilden Verwandten zu schaffen. Im ersten Teil seines Beitrags hatte HALALI-Autor Dr. Volker Pesch seinen Blick auf die konventionelle Imkerei gerichtet. Im zweiten Teil beschäftigt er sich mit der ökologischen Bienenhaltung.

Mein Besuch bei einem konventionell arbeitenden Imker hatte bei mir gemischte Gefühle ausgelöst (siehe HALALI 02/2019). Am Ende standen die Fragen, ob diese auf Ertrag und Effizienz fokussierte Form der Bienenhaltung artgerecht und ob der Einsatz von Medikamenten und Säuren wirklich nötig ist. Gibt es vielleicht eine Imkerei, habe ich mich gefragt, die artgerecht und ökologisch ist und zugleich dem Imker einen ausreichenden Ertrag bringt?

Auf der Suche nach ersten Antworten bin ich mit einem jungen Imker verabredet. Jonah ist Landwirt und nach Ausbildung und Studium in den elterlichen Betrieb eingestiegen. Es ist ein ökologisch wirtschaftender Betrieb, der in erster Linie Milchvieh hält und einen Großteil seiner Ackerböden in mehrjähriger Fruchtfolge für den Anbau von Futterpflanzen nutzt. Eine kleine Oase inmitten der vorpommerschen Agrarwüste, dazu mit einer Streuobstwiese, alten Linden und anderen blühenden Bienenfreuden.

Jonah hat das Handwerk zwar bei einem konventionellen Imkerpaten gelernt und seine ersten eigenen Völker entsprechend gehalten. Aber er plant auf mittlere Sicht, zumindest in kleinerem Ausmaß gewerblich zu imkern und diesen Betriebszweig nach den Richtlinien des Verbands Naturland e. V. zertifizieren zu lassen. Dann kann er den Honig als Bio-Honig vermarkten, das passt nicht nur zum Betrieb und zu seiner Lebensphilosophie, sondern erzielt auch einen höheren Preis. Deswegen richtet er seine Betriebsweise jetzt schrittweise danach aus.

Imkern nach Richtlinie

Die Naturland-Richtlinien sind, etwa im Vergleich zu denen des bekannten Bioverbands Demeter e. V., etwas weniger streng. Unter anderem müssen die Beuten aus Naturmaterialien bestehen und dürfen in der Regel nur mit heißem Wasser oder offener Flamme gereinigt und desinfiziert werden. Wachs für Mittelwände, auf denen die Bienen ihr Wabenwerk errichten, muss aus eigener Produktion oder ökologischer Bienenhaltung stammen. Eine Vermehrung durch natürliches Schwärmen soll angestrebt werden, andere Methoden werden aber nicht zwingend ausgeschlossen. Die Winterfütterung muss mit eigenem Honig oder Bio-Zucker erfolgen.

So weit ist das alles mit vertretbarem Aufwand machbar. Kopfzerbrechen bereitet Jonah die Vorschrift, dass im Umkreis von drei Kilometern rund um den Bienenstock keine nennenswerte Beeinträchtigung der Bienenprodukte durch landwirtschaftliche oder nicht landwirtschaftliche Verschmutzungsquellen erfolgen darf. Denn die Flächen seines Betriebs sind nicht so groß, dass sich der Sammelflug zum nächsten Rapsfeld ganz verhindern ließe.

Und dann ist da noch die Varroamilbe. Die macht leider auch um Bio-Bienen keinen Bogen. Die auf Ertrag, Sanftmut und Schwarmträgheit gezüchtete moderne Europäische Honigbiene (Apis Mellifera) ist allein nicht überlebensfähig, jedenfalls nicht in den gängigen Unterarten wie Carnica oder Buckfast. Jonah vergleicht das mit den modernen Milchviehrassen. „Könnte eine 10 000-Liter-Kuh in der Natur überleben?“, fragt er rhetorisch. Wohl kaum. Alle Bienenhaltungsrichtlinien erlauben deswegen notgedrungen den Einsatz organischer Säuren, wenn auch unter bestimmten Bedingungen und teilweise mit Einschränkungen.

Weltweit wird mit unterschiedlichem Erfolg versucht, varroaresistente Bienen zu züchten oder andere Mittel gegen die Milbe zu finden: Die dunkle Sizilianische Biene beispielsweise kann sich der Milben unter bestimmten Umständen selbst erwehren. Auch in Australien, Wales, Südfrankreich und an vielen anderen Orten gibt es vielversprechende Forschungen. Und ein norddeutscher Bienenforscher hat aus der Beobachtung wilder Bienenvölker erstaunliche Erkenntnisse gewonnen: Ein kleines Spinnentier namens Bücherskorpion, das natürlicherweise in symbiotischer Gemeinschaft mit den Bienen im Stock lebt, hält die Milben in Schach. Das sind vielverheißende Ansätze, aber bis jetzt ist kein Patentrezept gefunden.

Resistant Bees

Jonah zeigt mir seine Beuten. Er hat noch ein paar alte Hinterbehandlungsbeuten aus DDR-Zeiten, einige sind unbewohnt, vor dreien herrscht reger Flugverkehr. Etwas abseits sehe ich auch zwei Styroporbeuten. Im Zentrum stehen auf einem eigens errichteten Sockel die ersten Beuten der neuen Bio-Zeit: gefertigt aus Weymouth-Kiefer, gestrichen nur mit Leinöl.

Ich habe mir unterdessen einen eigenen Imkeranzug und Handschuhe zugelegt und trage den jetzt stolz zur Schau. Die Europäische Biene ist ja mittlerweile so handzahm, dass viele Imker auf den Schutz verzichten. Aber ich persönlich fühle mich besser unter der Gitterhaube. Vorsichtig öffnen wir einen Deckel, blasen mit dem Smoker etwas Rauch unter das Wachstuch. Bienen vermuten dann einen Waldbrand und verschwinden in den Wabengassen, um Honig als Reiseproviant aufzunehmen. Ich ziehe einen Handschuh aus, lege meine Hand flach auf die Rähmchen und spüre die Wärme des Bienenstocks. Es riecht nach Honig.

Auf alle Rähmchen hat Jonah eine Zahl geschrieben: 5,2. Ich frage, was das zu bedeuten habe. Er sei im Internet auf ein Konzept der Imkerei gestoßen, erläutert Jonah, das sich „Resistant Bees“ nennt und auf ein amerikanisches Imkerpaar zurückgehe. Demnach sei das Varroaproblem unter anderem von einer falschen Zellgröße begünstigt: Um größere Bienen zu züchten, die mehr Pollen und Honig einbringen können, habe man in der konventionellen Imkerei seit Ende des 19. Jahrhunderts auch die Waben vergrößert. Aber die böten den Milben einen besseren Lebensraum. Also müsse man die Wabengröße wieder verringern, um es den Milben schwer und den Bienen leicht zu machen. So weit die Theorie.

Um das verstehen zu können, muss man wissen, dass in der Imkerei heute standardmäßig bewegliche Rähmchen mit sogenannten Mittelwänden aus Wachs verwendet werden, auf denen die Bienen ihre Waben bauen. Das ist effizient in mehrfacher Hinsicht: Der Wabenbau geht darauf schneller vonstatten als ohne Unterlage, die Rähmchen lassen sich zur Durchsicht von Honig- und Bruträumen einzeln entnehmen, und sie lassen sich auch gut schleudern, wenn sie dann mit Honig gefüllt sind. Auf den handelsüblichen Mittelwänden ist die Wabengröße vorgeformt, und es ist eine der vielen erstaunlichen Begebenheiten im Leben der Bienen, dass sie sich millimetergenau an die künstliche Vorgabe halten.

Ob die Verringerung der Wabengröße den Bienen tatsächlich helfen wird, sich gegen die Varroamilbe zu wappnen, bleibt abzuwarten. Auch Jonah ist durchaus skeptisch. Der Ansatz sei unter Wissenschaftlern und Imkern umstritten, berichtet er weiter, eindeutige Studien gebe es dazu jedenfalls nicht. Aber er will es einfach ausprobieren, in der Hoffnung, das Varroaproblem wenigstens zu verringern und seine Bienen künftig mit weniger Säureeinsatz über den Winter zu bringen.

Warum nicht? „Versuch macht kluch“ fällt mir dazu ein, während ich unter fachkundiger Anleitung mit dem Stockmeißel eines der Rähmchen löse und heraushebe. Es ist vollständig mit Waben ausgebaut und überraschend schwer, in den Waben dürften gut zwei Kilo Honig sein. Unzählige Bienen wuseln darauf herum. Sie scheinen meinen Respekt zu spüren, jedenfalls geht es stichfrei aus.

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