Gänsejagd: Anfänger meets Profi

| Text: Jonas Nørregaard |

Kaum eine Jagd auf Wasserwild ist so spannend wie die Gänsejagd. Aber so faszinierend sie ist, so anspruchsvoll ist sie auch in Vorbereitung und Durchführung. Falsch angegangen, beschert sie Frustration, richtig gemacht, große Jagdmomente. HALALI-Autor Jonas Nørregaard berichtet von seiner ersten professionell aufgezogenen Gänsejagd.

Anfängerfehler

„Verdammt, die kommen ja schon!“ Ich lasse die Lockgänse fallen, renne die letzten 20 Meter bis zum Graben, in dem Kim bereits gut getarnt sitzt, und hechte kopfüber hinein. Die Graugänse haben mich aber längst gesehen, gut 300 Meter entfernt von mir drehen sie ab. Kim flüstert aufgeregt: „Zum Teufel, benutz doch endlich den Gänseruf!“ Ich flüstere zurück: „Den hast du doch!“ Kim antwortet: „Im Auto hattest du ihn noch.“ Mist! Das Auto. Da liegt das Ding hinter der Windschutzscheibe, und das Auto steht eine gute Meile die Hauptstraße hinunter. Uns bleibt nichts anderes übrig, als den Schatten nachzusehen, die sich weit weg von uns am Horizont verlieren. Ein Windstoß wirbelt unsere Decoys durcheinander, zwei von sechsen fliegen durch die Luft, bleiben glänzend mit dem Bauch nach oben in der Sonne liegen.

Einige Gänseflüge streichen am Horizont dahin. Das ist alles.

Der Morgen stellt das Thema dar, und meine wenigen Jagderfahrungen auf Gänse sind die Variationen davon. Egal, wie sorgfältig und umsichtig ich alles geplant hatte, der Erfolg stellte sich nie ein. Einmal strich ein Flug Kanadagänse direkt auf meinen Schirm im Schilf zu, aber kurz bevor sie in Schussdistanz kamen, donnerte neben mir eine Kanonade los, die die vier Gänse rasch von 30 auf 100 m Flughöhe steigen ließ. Offenbar war einer meiner Nachbarn ebenfalls an diesem Morgen losgezogen.

Das waren – so oder ähnlich – meine Jagderlebnisse mit Gänsen. Bis heute.

Irgendwann hatte ich meiner guten Freundin Stefanie von meinem Gänsefrust erzählt, in der Hoffnung, ihr ein paar Tipps und Tricks zu entlocken. Stattdessen lud sie mich ein, mit ihr und ihrer Mannschaft auf Gänse zu gehen, unter der Bedingung, dass ich meine Kamera mitbrächte: „Also, wir gehen auf eine ECHTE Gänsejagd, Jonas“, sagte sie. „Dann kannst du dir selbst ansehen, wie man so was richtig macht.“ Und obendrein sollte das Ganze im besten Gänsebiotop ganz Skandinaviens, vielleicht sogar der ganzen Welt, stattfinden: in Südschweden, in einer Gegend namens Barsebäck – etwa eine Autostunde von Kopenhagen entfernt. Ich sagte sofort zu.

Der Schlachtplan

Wir kamen am Abend vor der Jagd an. Kristofer, unser Gastgeber, hieß uns willkommen. Kristofer ist professioneller Gänsejäger, seine Firma „Goose Hunting Sweden“ kontrolliert dieses Wild über gut 5 000 ha auf der südschwedischen Halbinsel. Dort führt er Jagdgäste aus aller Welt. Sie reisen sogar aus Russland, den USA und dem Mittleren Osten an, um die Gänsejagd zu erleben, wenn der Himmel sich vor lauter Wild verdunkelt.

Kristofer arbeitet eng mit Stefanie zusammen, die mit ihrer Familie „DK Wai“ betreibt – ein kleines Unternehmen, das zum einen die Landwirte vor Ernteschäden durch Gänse schützt und zum anderen spezielle Ausrüstung für diese Jagdart herstellt.

Wir wurden mit geräuchertem Elch verwöhnt, mit Wildschwein und natürlich mit Gänsebrust, während uns Kristofer in die Pläne für den nächsten Morgen einweihte. Sein Team hatte das Jagdgebiet bereits vorab ausgekundschaftet. Jeder von uns bekam eine laminierte Planskizze, auf der alles Notwendige eingetragen war: der „Hotspot“, Windrichtungen, geeignete Stellen für den Schirm und die Richtung, aus der die Gänse wahrscheinlich anstreichen würden. Jedes noch so kleine Detail wurde ausführlich besprochen und, wenn nötig, nachjustiert. Kristofer beschloss den Abend damit, seine drei Benelli Selbstladeflinten komplett zu zerlegen, zu reinigen und zu ölen, damit sie für den nächsten Morgen einsatzbereit wären. Er sagte, dass die Waffen oft komplett mit Schlamm verkrustet von der Jagd zurückkämen. Der nächste Morgen sollte keine Ausnahme machen.

Könner stehen früh auf

Um 4 Uhr morgens gab es heißen Kaffee, dann brachen wir auf. Vor der Tür warteten ein großer Truck mit Vierradantrieb und zwei Gator ATVs, jeder mit einem eigenen Anhänger, vollgestopft mit Lockvögeln verschiedenster Bauart und speziell angefertigten Gänseliegen. Wir waren vier Jäger: Stefanie, ihr Vater Dennis, Kristofers Freund Pedro, der eigens aus Portugal angereist war, um eine professionell durchgeführte Gänsejagd mitzuerleben – und meine Wenigkeit. Und dann war noch ein wichtiger nicht jagender Begleiter dabei: Gabriel, Stefanies zehn Jahre alter Sohn.

Wir verteilten uns auf die Fahrzeuge und verschwanden im Dunkel des frühen Morgens. Nach kurzer Fahrt kamen wir an der Stelle an, die Kristofer als den „Hotspot“ bezeichnet hatte – auch wenn dieser eher einem Schlamm-Spot glich. In einem Karottenfeld, das der Bauer wegen Nässe aufgegeben hatte, hatten sich die Gänse ein echtes Eldorado eingerichtet. Ihre Spuren waren zahlreich und überall. Und ich spreche nicht ausschließlich vom Geläuf.

Hightech-Hinterhalt

Wir packten alle mit an. Schließlich mussten wir an die 200 Lockgänse ausbringen. Gabriel sprang hin und her und schlug die Stangen in den Boden, wir anderen setzten die Lockgänse darauf. Ich gebe zu: Als ich diese hochprofessionelle Vorbereitung sah – mitten in der Nacht, mitten im Schlamm und vor allem lange bevor der Flug einsetzen würde –, waren mir meine bisherigen dilettantischen Versuche ziemlich peinlich.

Die Lockvögel – Grau-, Kanada- und Nonnengänse, aber hauptsächlich Kanadagänse – verteilten sich um fünf Liegen. Ich hatte noch nie von so etwas aus geschossen, geschweige denn gejagt: weißer Stoff über einem Metallgerüst, mit eingebautem Sack, in dem man liegt. Die Konstruktion hat eine Rückenlehne, man liegt also nicht flach da, sondern mit angewinkeltem Oberkörper. Das erleichtert das Aufrichten und das Schießen, man braucht daher nicht vorher ins Fitnessstudio zu gehen. Gabriel gab mir eine kurze Einweisung, wie man unter der Decke verschwindet, sobald die Gänse anstreichen, und wie man sich auf das Schusskommando „Jetzt!“ blitzschnell aufrichtet. Pedro und mir wurde zudem eingeschärft, dass wir die Klettverschlüsse der Liege sauber zu schließen hätten. Die reflektieren nämlich die UV-Strahlung, und das können Gänse offenbar auf große Distanz erkennen. Hier wurde wirklich an jedes noch so kleine Detail gedacht.

Am Osthimmel zeigte sich zaghaft das erste rote Morgenlicht. Die Dämmerung stieg herauf. Ich hatte erst zwei oder dreimal probiert, wie man die Decke der Liege ordentlich schließt und wieder öffnet, als Gabriel auf einmal ruft: „Graugänse! Da vorn!“ Pedro und ich – beide zu 110 % Anfänger – haben alle Mühe, in der Liege zu verschwinden und die Decke zu schließen. Wir bekommen es trotzdem hin. Irgendwie zumindest.

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