Geteilte Erlebnisse

| Text: Oliver Dorn |

Jagt der Mensch allein und ist für sich in der Natur, sind die Momente, die er erlebt, oft weniger emotional und schneller verblichen. Jagt er mit Freunden, wächst jeder Tag über sich hinaus und scheint niemals enden zu wollen. Die Erinnerungen sind geteilt und bleiben lange wach und lebhaft. Auf einer Jagdreise in die Große Karoo erlebte HALALI-Redakteur Oliver Dorn magische Momente gemeinsam mit seiner Familie und seinen Freunden aus dem Vereinigten Königreich, die lange in Erinnerung bleiben werden.

Prolog

Eine Freundschaft ist in unserer heutigen Zeit schnell erklärt. Eine Jagdfreundschaft sogar noch schneller geschworen. Aber Freundschaften sind heute mehr denn je brüchig, denn man gibt ihnen nicht mehr genügend Zeit, um natürlich und nachhaltig zu wachsen. Dabei beginnt eine Freundschaft mit dem Kennenlernen und Entdecken gemeinsamer Interessen, ihre Vertiefung gewinnt durch Intensivierung. Sie erhält Stabilität durch Vertrauen und erstes Bestehen von Konflikten, sie wächst weiter durch gegenseitige Unterstützung. Schließlich erleben Freundschaften gemeinsame Momente von besonderer emotionaler Tiefe. Gemeinsame Jagden in fernen Ländern sind solche Momente von großer emotionaler Tiefe. Man könnte also mit Fug und Recht behaupten, für Jägerinnen und Jäger sind gemeinsame Jagdreisen der Höhepunkt ihrer Freundschaft.

Die Vorfreude

Im Frühjahr 2022 schlendern meine Frau Ilka und ich über die Messe „Jagd & Hund“ und bleiben spontan am Stand von Buccara Africa stehen. Wir haben eine Afrikareise für das nächste Jahr geplant. Nur wohin es gehen soll, ist noch offen. Wir hatten uns schon mit dem einen oder anderen Outfitter für Namibia unterhalten, aber so richtig wollte bislang noch kein Funke überspringen. Schließlich würden wir nicht nur unsere beiden Söhne im Schlepptau haben, sondern auch unsere Freunde aus dem englischen Kent, die ebenfalls Interesse bekundet hatten, erstmals in Afrika jagen zu wollen, wären an unserer Seite. Der Veranstalter müsste also über eine Lodge mit vier Doppelzimmer verfügen, eine ausreichende Zahl an Guides zur Verfügung stellen können sowie in der Lage sein, ein (auch finanziell) attraktives Jagdpaket zu schnüren. Rasch kommen wir mit Chris Nortje, dem Manager von Buccara Africa, ins Gespräch, und als wir ihm unsere „Parameter“ erklären, legt er seine Preisliste zur Seite, nimmt einen Zettel und rechnet uns ein interessantes Paket rund um Reduktionsabschüsse, die die Wildkammer des rund 40 000 Hektar großen Estate auffüllen sollen, vor. Das passt! Jetzt müssen nur noch die Freunde unsere Begeisterung teilen. Das ist eine Weile darauf geschehen, und in der Folge die Reise gebucht. Flüge und Waffentransport sind in trockenen Tüchern. Die Vorfreude auf die bevorstehende gemeinsame Jagdreise wächst mit der Zeit.

VIP

Ein Jahr später ist es dann endlich auch so weit. Zunächst geht es für uns von Frankfurt nach Johannesburg und schließlich, mit etwas Verzögerung, weiter nach Port Elizabeth (seit 2021 offiziell in Gqeberha umbenannt). Für den sicheren Transport unserer Jagdwaffen haben wir uns für einen privaten VIP-Service entschieden, der dafür sorgen sollte, dass wir schon am Gate in Empfang genommen werden und durch das ganze polizeiliche Prozedere hindurchgeleitet würden. Und die Einfuhrpapiere sollten ebenfalls komplett vorbereitet sein. Aber es kommt anders als geplant. Müde steigen wir vier aus dem Flieger und warten absprachegemäß am Gate. Kein VIP-Service weit und breit. Ein Flughafenangestellter bittet uns nachdrücklich, weiterzugehen und uns an der Passkontrolle anzustellen. Ich mache ihm deutlich, dass wir auf den bezahlten VIP-Service warten. Er wartet mit uns. Nach zehn Minuten wird er ungeduldig, wir sollten jetzt bitte weitergehen. Ich wiederhole, dass wir absprachegemäß hier auf den VIP-Service warten sollten, da wir auch Jagdwaffen dabeihätten. Jetzt kommt Bewegung in die Sache – der kleine Mann fordert uns auf, ihm zu folgen. Er läuft vor uns her zur Passkontrolle, geht rechts daran vorbei und steuert auf eine stämmige, grimmig dreinschauende Polizistin zu: „This is family Dorn, VIP, we must get their rifles. Quick!“ Wir können kaum glauben, was wir da soeben gehört haben, sagen aber nichts, lächeln die Polizistin an und grüßen mit einem freundlichen „Good morning!“ Sie zögert kurz, lässt sich dann unsere Pässe zeigen und winkt uns an der endlosen Schlange vorbei durch die Kontrolle. Das hat also geklappt! Doch nach wie vor keine Spur von einem Mitarbeiter des gebuchten VIP-Service. Auch erreichen wir niemanden über die uns überlassene Kontaktrufnummer. Der kleine Mann hingegen steuert uns zum Gepäckband, besorgt einen Wagen und führt uns zur Flughafenpolizei, wo man uns bestätigt, dass entsprechende Einfuhrpapiere vorlägen. Ich bedanke mich sehr herzlich bei ihm und belohne seinen Einsatz mit einem angemessenen Obolus, den er dankend entgegennimmt. Ich bin überzeugt, er wusste nicht, was wir mit VIP-Service gemeint hatten – er hielt uns vermutlich für echte VIPs … aber dazu später noch mehr.

Dann endlich klingelt das Mobiltelefon. Eine verschlafene Stimme fragt, um was es ginge. Nach einigem Hin und Her stellt sich heraus, dass der VIP-Service unsere Ankunft (warum auch immer, denn die Flugdaten waren ja bekannt) für den Folgetag ein-getragen hatte. Egal, irgendwann erscheint eine freundliche Dame, unser Gepäck wird vervollständigt, und sie führt uns im Eilschritt zum Transferschalter, um dort Waffen und Gepäck nach Port Elizabeth einzuchecken. Ein schnelles „Goodbye“ – und weg ist sie. Wir haben jetzt ein paar Stunden Zeit, die wir mit Snacks und einer Mütze Schlaf totschlagen. Von unseren Freunden erfahren wir inzwischen, dass sie ein paar Stunden vor uns sicher in Port Elizabeth gelandet sind und uns bereits mit Freude erwarten.

Die Große Karoo

Die Karoo ist eine südafrikanische Trockenregion innerhalb der Provinzen Westkap, Ostkap und Nordkap und reicht bis zum Süden Namibias. Der Name Karoo leitet sich ab von „kurú“, einem Wort aus der Sprache der San, die einst hier lebten und jagten. In deren Sprache bedeutet dieses Wort „trockenes, dürres, steiniges Land“. Die europäischen Einwanderer, überwiegend niederländischer Abstammung, übertrugen diesen Begriff auf die Vegetation dieser Landschaften. Sie selbst nannten diese Regionen in ihrer Sprache „droogeveld“, was deutsch „trockenes Feld“ bedeutet. Allgemein spricht man von zwei sich unterscheidenden Regionen: der Großen Karoo und der Kleinen Karoo. Unser Ziel, nachdem wir in der alten Hafenstadt Port Elizabeth gelandet sind und uns mit unseren englischen Freunden getroffen haben, ist Graaff-Reinet, eine Stadt im Ostkap Südafrikas. Die alte Kolonialstadt ist eine fesselnde Mischung aus Geschichte und natürlicher Schönheit. Die 1786 gegründete Stadt rühmt sich einer gut erhaltenen kapholländischen Architektur, die ihr den Spitznamen „Juwel der Karoo“ eingebracht hat. Etwas abseits liegt das Buccara Wildlife Reserve Karoo. Dort befinden sich zwei historische Farmen, die Clifton Lodge und die Willowslopes Lodge. In unserem Buchungspaket ist die Willowslopes Lodge, eine alte Schafsfarm, vorgesehen. Dorthin fahren uns die beiden Jagdführer Glen und Johan, die uns in Port Elizabeth erwartet hatten.

Erste Tage auf Willowslopes

Wir erreichen die Farm kurz vor Mitternacht. Unsere englischen Freunde beziehen zwei neue Lodges, während unser Domizil der kommenden Tage das alte Farmhaus sein wird, das schon ein wenig in die Jahre gekommen ist. Die Bäder allerdings sind wirklich top, und wir fallen angesichts der langen, anstrengenden Reise in einen bleiernen Schlaf. Für den ersten Morgen haben wir uns nicht zu früh verabredet. Wir wollen erst einmal ankommen und in Ruhe frühstücken. Die Farm liegt malerisch, ja fast versteckt, inmitten felsiger Anhöhen. Rund um die sicher gezäunte Anlage befinden sich die neu gebauten Häuser der Angestellten und Jagdführer. Der Pool sieht ebenso einladend aus wie die Grillplätze in den gepflegten Grünanlagen. Wir alle fühlen uns wohl und freuen uns auf die bevorstehenden Tage. Glen und Johan bilden für diese Woche zwei Jagdteams, auf die wir uns aufteilen. Gary und Brett wollen mit Leihwaffen jagen, Ilka und ich haben unsere bewährten Steyr Repetierer mitgebracht. Es ist unsere erste Reduktionsjagd – unsere englischen Freunde hingegen kennen das bereits. Wahl vor Zahl ist ihnen nicht neu, bejagen sie doch in heimischen Gefilden regelmäßig die kopfstarken Damwildrudel auf den benachbarten Country Estates, um Wildfleisch für den Discounter Waitrose zu generieren. Hier jedoch, auf Willow-slopes, sollen vorrangig Waterbucks bejagt werden. Aber auch Impala, Kudu, Wildebeest und Strauß stehen auf Glens „Wunschliste“. Uns soll es recht sein. Ilka freut sich besonders auf die Chance, einen Waterbuck er-legen zu können, während unsere englischen Freunde eigentlich keine Präferenzen haben – für sie ist es die erste Jagd in Afrika. Und so geht es los am frühen Vormittag, zunächst in getrennte Richtungen, um sich nicht unnötig zu gefährden und um die Chancen auf Jagderfolg zu verdoppeln. Wir stehen über Funk miteinander in Kontakt und hören immer wieder von Wild, das in Anblick kommt. Aber entweder passt der Wind nicht an diesem Vormittag, oder das Stück kann nicht zum Abschuss freigegeben werden. Beim gemeinsamen Mittagstisch und anschließenden Kaffee sprudeln die Eindrücke aus unseren Freunden nur so heraus. Es kamen alle möglichen Wildarten in Anblick, sodass die Spannung bis zur Nachmittagspirsch minütlich anwächst.

Am Nachmittag schließlich überschlagen sich die Ereignisse: Ilka erlebt eine hochemotionale Jagd auf einen Waterbuck, die sie in der HALALI-Ausgabe 01-2024 ausführlich beschreibt, während unsere Freunde je zwei Impalas zur Strecke bringen können. Die Freude über den Jagderfolg der Freunde ist allerdings zunächst ein wenig getrübt durch die Ungewissheit Ilkas, ob ihr Schuss auch wirklich hundertprozentig saß. Der gemeinsamen Nachsuche am nächsten Morgen folgt eine weitere Jagd unserer Freunde am Nachmittag, die mit erneutem Waidmannsheil für die beiden endet. Der glückliche Ausgang von Ilkas Schuss auf den Waterbuck, der gefunden und erlegt werden kann, beschert uns allen beseelte Stunden beim gemeinsamen abendlichen Barbecue. Am nächsten Tag gelingt Ilka ein guter Schuss auf einen steil und hoch stehenden Waterbuck, den wir aufgrund des steinigen Terrains nur mit mehreren Helfern bergen können. Das Stück wird dabei auf eine feste Plane gezogen, von je drei Mann auf jeder Seite angehoben und talwärts zum Wagen getragen. Wir fahren gemeinsam zur gut organisierten Wildkammer des Estate, die zwischen den beiden Farmen liegt und von einigen Jagdhelfern betrieben wird. Dort begutachten wir die bisherige Strecke und überschlagen die Menge an Wildbret, das in der blitzsauberen Kühlung hängt.

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