Gutes Wild und andere Speisen – Christian Heymann setzt auf Nachhaltigkeit

| Text: Gabriele Metz |

Naturnah und regional verwachsen. Kein leerer Spruch, sondern Lebensmotto für den Jäger und Bauern Christian Heymann, der vor den Toren Berlins eine Solidarische Landwirtschaft betreibt. Dort gibt es nicht nur Öko-Gemüse und -Obst, sondern auch Wildbret von selbst erlegten Stücken.

Wir befinden uns im äußersten Westen Berlins. Zwischen Alt-Gatow und Kladow. Auf der Havel gleiten Segelboote dahin. Badestellen laden zum Verweilen ein. Wasservögel stolzieren über den sandigen Boden, während hoch oben in der Luft majestätische Greifvögel ihre Kreise ziehen. Ein malerisches Landschaftsschutzgebiet, zu dem auch weite Felder, Obstbaumplantagen und Wälder gehören. Genau hier, in den Berliner Havelmaten am Kladower Damm, liegt eine der landwirtschaftlichen Flächen, die der Bauer und gelernte Landwirt Christian Heymann bewirtschaftet. Nur einen Steinwurf entfernt, in der Alten Gärtnerei, ist die zweite angepachtete Fläche des 43-jährigen Jägers, der zudem Pächter eines 130-Hektar-Reviers ist. Insgesamt 40 Kulturen und 80 Sorten Gemüse werden hier nach den Bio-Richtlinien der EU und den ökologischen Prinzipien von Biokreis angebaut. „Wir ziehen die Jungpflanzen zum Teil selbst, gewinnen Säfte aus den Früchten der eigenen Obstbäume und bringen auch alte, samenfeste Gemüsesorten zum Einsatz“, erzählt Heymann, dem faire und soziale Produktionsbedingungen besonders am Herzen liegen.

Aufmerksamkeit gab es auch bereits vom Bundesministe-rium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), das aus rund 35 000 Ökobetrieben deutschlandweit 290 auswählte und diese zum Netzwerk „Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau“ zusammenschloss. Der Betrieb SpeiseGut ist einer davon. „Das Ziel des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL) ist, die Rahmenbedingungen für die nachhaltige und ökologische Land- und Lebens-mittelwirtschaft zu optimieren und die Voraussetzungen für ein gleichgewichtiges Wachstum von Angebot und Nachfrage zu verbessern“, erklärt Christian. Zum politischen Leitbild der Bundesregierung „100 Prozent naturverträgliche Landwirtschaft“ gehören 30 Prozent ökologisch bewirtschaftete Flächen in Deutschland bis 2030. Hier ist der erste Schritt bereits getan.

Nachhaltige Jagd

Eine Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) vor den Toren Berlins. Obwohl das eigentlich nicht der erklärte Lebens-traum des gebürtigen Merseburgers und ehemaligen Restaurantbetreibers war, setzte er das Projekt 2013 schließlich in die Tat um. Seitdem versorgt er Menschen in und um Berlin mit biologisch angebautem Gemüse und Obst. Und nicht nur das. Denn auch Wild steht auf Christians Business-Plan. Er jagt regelmäßig in Berlin und Brandenburg. Seine Kunden legen durchaus Wert auf hochwertiges Wildbret. Um den Bedarf zu decken, arbeitet er auch eng mit befreundeten Jägern zusammen. „Wir jagen nachhaltig und verwerten das ganze Tier. Die Zerlegung und Portionierung übernimmt ein Wildhof. Bratwürste, Salami und andere Spezialitäten entstehen durch die Kooperation mit einem befreundeten Metzger“, erklärt Heymann. Die Wertschätzung des Wildtieres hat für den Vater von vier Kindern allerhöchste Priorität. Er verarbeitet ausschließlich Wild aus der direkten Umgebung. Abgesehen vom kulinarischen Aspekt ist die Jagd für den Landwirt auch ein wichtiger Beitrag zur Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Wild, naturbelassenen Flächen und besiedelten Gebieten. „Wir wirken dadurch einer weiteren Verdrängung der Natur und der Wildtiere entgegen. Die nachhaltige Bejagung von Wild unterstützt das Gleichgewicht in einem vom Klimawandel bereits stark geschwächten Wald. Unser Fokus liegt zudem auf der Naturverjüngung“, sagt er.

Auch im Berliner Revier achtet man auf Ausgeglichenheit. Schwarzwild in der Stadt. Das provoziert Konflikte. Das gilt ebenfalls für die durch Wildschweine verursachten landwirtschaftlichen Schäden, die auch Heymanns eigener Betrieb erfährt. Also trägt er als Jäger weiter zu einem vernünftigen Gleichgewicht bei und erfreut die Berliner zugleich mit köstlichem Wildbret. „Heute kommen unsere Wildschwein-Bratwürste vom Metzger. Max, ein guter Freund, bringt sie später und nimmt gleich den Keiler aus der Kühlkammer mit“, kündigt Christian an. Der soll unter anderem zu Wildbeißern und Salami verarbeitet werden.

Den Wert der Produkte vermitteln

Doch nun stehen erst einmal die Kisten auf dem Programm. Kisten voller Gemüse, das ohne Zusatz von chemisch-synthetischen Düngemitteln auf den SoLaWi-Flächen gedeiht. Das Konzept hierbei ist, dass private Haushalte die Kosten des landwirtschaftlichen Betriebs tragen, indem sie einen monatlichen Beitrag zahlen, für den sie wiederum wöchentlich eine Kiste mit frischen Bio-Produkten erhalten. Wildbret wird gesondert dazubestellt. Christians Betrieb „SpeiseGut/WildesGut“ vertritt das Prinzip der bäuerlichen, marktunabhängigen Landwirtschaft. Und seine Kundschaft schätzt es, von einer nachhaltigen und regionalen Versorgung zu profitieren. „Wir wollen den Wert unserer Produkte vermitteln“, betont der Berliner, während er prüfend drei frische Knoblauchzehen betrachtet. Insgesamt sechs Folientunnel gibt es auf dem Gelände. In einem liegen nun die Knoblauchzehen aus, während die hölzernen Kisten mit den Zwiebeln unter dem Dach einer Remise Witterungsschutz finden. Dorthin kommen später auch die Kürbisse, die wir gleich gemeinsam ernten wollen.

Geschmackliches Feuerwerk

Der Blick in die Kisten der Woche ist verheißungsvoll. Ein leuchtend orangefarbener Hokkaido-Kürbis, rote Bete, Pa-prikaschoten, Tomaten, Maiskolben und andere Leckereien befinden sich darin. Mitarbeiterin Janett arrangiert alles dekorativ auf einem Leinentuch und schießt mit dem Handy ein Foto, um es gleich in den sozialen Netzwerken zu posten. „Dann wissen die Kunden schon mal, was diese Woche in den Kisten ist“, lacht sie. Miriam arbeitet derweil im Tomatenfeld. „Hier, probieren Sie mal. Die sind unglaublich aromatisch!“, ruft sie und reicht mir eine tiefrote To-mate. Ich beiße hinein und erlebe ein geschmackliches Feuerwerk. Was für eine Intensität! Alle sind fleißig. Auf dem Gelände herrscht reges Treiben. Bauer Christian, das Ackerteam, das Community Management und ehrenamtliche Depotleiter tragen das Projekt. Letztere sind für
den reibungslosen Ablauf der Kistenauslieferung in die Depots zuständig. Diese befinden sich unter anderem in Universitäten, Büros, Cafés und bei Privatpersonen. Dort holen die Kunden dann ihre Kisten ab.

Das Projekt erregt Aufsehen. Deshalb setzt Christian auf Transparenz und lädt zur Landwirtschaft zum Mitmachen ein. Regelmäßig organisiert er einen Kennenlerntag für Teilnehmer der SoLaWi und für Interessenten. „Wer nicht gleich mit einem Jahresvertrag einsteigen möchte, kann erst einmal einen Schnuppermonat einlegen und in aller Ruhe probieren, ob ihm unser Projekt schmeckt“, lacht Heymann. Hinzu kommen pädagogische Angebote auf dem Acker. Dafür rief der Jäger eigens den Verein SpeiseGut e. V. für Schulen, Kindergärten und Erwachsene ins Leben.

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