Hamish Mackie „Ich kehre das Innerste des Tieres nach außen“

| Text: Gabriele Metz |

Sie sind aus Bronze, Silber oder auch Gold und oft von beeindruckender Größe. Die Skulpturen des Bildhauers Hamish Mackie sind zudem von einer Lebendigkeit, die starke Emotionen weckt. Der mehrfach ausgezeichnete Brite gilt als einer der bedeutendsten Wildlife-Bildhauer weltweit.

„Wenn man meinen Skulpturen in die Augen blickt, dann sollte man Lebendigkeit verspüren“, sagt Hamish Mackie. Die Vorlage für diese Lebendigkeit findet er dort, wo Wildtiere in Freiheit leben, in ihrer Heimat. „Der Ausdruck eines Raubtieres in Gefangenschaft ist ein gänzlich anderer als der eines Raubtieres in seinem natürlichen Lebensraum. Nur dort versteht man seinen Instinkt und seine körperliche Ausdruckskraft“, versichert der Brite. Hamishs Wissensdurst führte ihn in den vergangenen Jahren in alle erdenklichen Länder dieser Welt. Die Antarktis, die Falklandinseln, Südgeorgien, Afrika, die Vereinigten Arabischen Emirate, Australien und Indien gehören ebenso dazu wie auch viele europäische Länder. Tagelanges Beobachten aus direkter Nähe, intensive Recherchen, künstlerisches Arbeiten in freier Wildbahn und das bedingungslose Einlassen auf die Natürlichkeit eines einzigartigen Wesens bilden die Basis für Mackies ausdrucksstarke Skulpturen. Diese verewigten Momente tierischen Verhaltens sind dabei jedoch ganz und gar keine fotorealistische Reproduktion, sondern vielmehr die persönliche Interpretation des Künstlers.

Skulpturen voller Kraft und Dynamik

Hamishs Skulpturen kehren das Innerste nach außen. Sie strahlen Stärke und Würde aus. Der Stil des Mannes, der sich die meisten künstlerischen Arbeitstechniken selbst beigebracht hat, ist fraglos einzigartig. Oft arbeitet der Bildhauer ganz spontan mit fließenden, meist nicht wiederholbaren Gesten, die dennoch von einer beeindruckenden Zielsicherheit sind, die man nur durch jahrelange Erfahrung erlangt. Sein bestimmender Umgang mit dem Material formt – in Kombination mit einem profunden anatomischen Wissen – starke, dynamische Skulpturen mit einer an Lebendigkeit grenzenden Ausstrahlung. „Es ist tatsächlich das intensive Beobachten des Tierverhaltens, das meinen Skulpturen letztendlich Leben einhaucht. Ich möchte ihre Persönlichkeit, ja ihre Seele zeigen. Aus alledem ergibt sich mein Umgang mit dem Material. Mal flüssiger, mal fester, mal kontrolliert oder aber mit großen streichenden Bewegungen und manchmal auch ganz filigran und detailverliebt“, beschreibt der Künstler. Jede Skulptur sollte ihre ganz eigene Kraft ausstrahlen. „Ich möchte damit Gefühle beim Betrachter wecken“, fügt er hinzu.

Monumentaler Schmelzofen

Die Leidenschaft für Bronzeskulpturen besteht schon seit seiner Kindheit. Der 50-Jährige wuchs auf einer Rinderfarm im englischen Cornwall auf. In der dortigen Küche steht heute noch sein erstes Werk, das Hamish im Alter von zwölf Jahren erschuf: ein Kalbskopf, den er seinem Vater zu Weihnachten schenkte. Es folgte eine Ausbildung am Radley College und auf der Falmouth School of Art. Daran schloss sich ein Design-Studium an der Kingston University an. „Seit 1996 widme ich mich voll und ganz der Bildhauerei“, so Hamish, dessen Werke in privaten und öffentlichen Sammlungen auf der ganzen Welt zu sehen sind. Abgesehen von den Bronzen gibt es auch Werke aus Silber und limitierte Editionen aus Gold. Jedes Werk ist signiert, datiert und nummeriert. Rund vier Monate dauert es durchschnittlich, bis eine Skulptur vollendet ist. Manche erfordern aber auch noch weitaus mehr Zeit. Wie beispielsweise die sechs teilweise lebensgroßen Pferdeskulpturen, für die er 2014 mit einem hochkarätigen Kunstpreis ausgezeichnet wurde. Für dieses einjährige Großprojekt musste Hamish einen geeigneten Schmelzofen finden und kooperierte dafür eigens mit einer Gießerei. Mehr als ein Kilometer Stahl, sechs Tonnen Ton, eine Tonne Silikon und vier Tonnen Bronze waren für die Realisierung des Mammutprojekts erforderlich.

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