Hoffnung für den Hamster

| Text: Dr. Volker Pesch |

Noch vor wenigen Jahrzehnten galt der Feldhamster in Europa als Schädling. Mit allen Mitteln wurde ihm nachgestellt, seine Bälge waren begehrte Rauchwaren, und mancherorts wurden staatliche Fangprämien gezahlt. Hamsterjagd konnte lukrativ sein. Heute ist der kleine Nager vom Aussterben bedroht. Aber es gibt auch effiziente Schutzmaßnahmen, wie HALALI-Autor Dr. Volker Pesch zeigt.

Wenn sich Kinder einen Hund wünschen, bekommen sie nicht selten einen Wellensittich, ein Meerschweinchen oder einen Goldhamster. Sie sollen erst einmal lernen, Verantwortung für ein Tier zu übernehmen, heißt es dann. Eltern können grausam sein. Besonders der Goldhamster macht es den kleinen Tierhaltern nämlich alles andere als leicht. Tagsüber schläft er tief eingemummelt in seiner Höhle aus Sägespänen und Wolle und widersetzt sich allen Kuschelversuchen, des Nachts hingegen lässt er unaufhörlich das Laufrad rattern. Derart fit gehalten, kann das putzige Tierchen durchaus 20 Monate alt werden – was nicht jeder Knirps bis zum Ende durchsteht: Manch ein Goldhamster wird leider frühzeitig in die Freiheit des heimischen Vorgartens entlassen.

Außerhalb von Kinderzimmern drehen viele Goldhamster in Versuchslaboren am Rad. Die Wildform hingegen ist selten geworden. In seiner vorderasiatischen Heimat nehmen die Bestände kontinuierlich ab, Gründe dafür sind die anhaltende Flächenversiegelung und die intensive Bekämpfung durch Bauern, die in dem putzigen Tierchen vor allem einen fiesen Schädling sehen. Von der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature) wird der Syrische Goldhamster, so die vollständige Bezeichnung, seit einiger Zeit als gefährdet eingestuft.

Auf der Roten Liste

Genau wie sein europäischer Verwandter, der Feldhamster. Der gilt schon seit den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts als bestandsgefährdet. Einstmals bewohnte der kleine Kulturfolger weite Teile Europas und auch Teile Asiens, von den Niederlanden bis Sibirien. Aber überall sind die Populationen massiv geschrumpft, vielerorts sind sie bereits erloschen. Mitte des vergangenen Jahres veröffentlichte die IUCN ihre Einschätzung, dass der Feldhamster spätestens in 30 Jahren ausgestorben sein wird, wenn nicht zeitnah effiziente Schutzmaßnahmen ergriffen werden.

Das gilt auch für Deutschland: Auf der jüngsten Roten Liste der Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das Rote-Liste-Zentrum (RLZ) im Oktober 2020 vorgestellt haben, wird der Feldhamster erstmals in der Kategorie „Vom Aussterben bedroht“ geführt. Dabei zählt er zu jenen Arten, bei deren Erhalt der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der ursprünglichen Vorkommen eine besondere Verantwortung zukommt.

Im Turnus von etwa zehn Jahren wird diese Liste aktualisiert veröffentlicht und gibt Auskunft über alle in Deutschland vorkommenden Säugetierarten und deren Bestandsentwicklung. Für mehr als die Hälfte aller Arten und Unterarten ist in den vergangenen 150 Jahren ein negativer Bestandstrend zu verzeichnen, knapp ein Drittel ist aktuell bestandsgefährdet, zehn Arten gelten bereits als ausgestorben. Nur bei wenigen Arten verzeichnet der Bericht Bestandsverbesserungen.

Solche Verbesserungen sind in aller Regel nicht nur auf den passiven Schutz durch Berner Konvention, FFH-Richtlinie (Anhang IV) und das Bundesnaturschutzgesetz zurückzuführen, sondern auch auf die gezielte Verbesserung der entsprechenden Habitatstrukturen. Der Feldhamster wird heute in Deutschland nicht mehr bejagt oder bekämpft, und schon ein einzelnes Exemplar kann den Bau einer Straße oder die Ausweisung einer Gewerbefläche ausbremsen. Aber das allein sichert nicht den Arterhalt. Seine Lebensbedingungen sind in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend schlechter geworden. Der kleine Nager hat keine vergleichbare Lobby wie die großen Wappentiere des Artenschutzes Wolf oder Biber.

Cricetus cricetus

Nach zoologischer Systematik gehört der Feldhamster (Cricetus cricetus) zu den Mäuseverwandten (Myomorpha) innerhalb der Ordnung der Nagetiere (Rodentia) und darin zur Familie der Wühler (Cricetidae), Unterfamilie Hamster (Cricetinae). Von den rund 20 Arten dieser Unterfamilie ist der Feldhamster die größte und die einzige, die in Europa vorkommt, jedenfalls außerhalb von Kinderzimmern und Laboren. Die meisten Arten sind nur maus- bis rattengroß, wobei beispielsweise ein Kurzschwanz-Zwerghamster 50 bis 100 Millimeter misst. Ein ausgewachsener Feldhamster hingegen kann rund 350 Millimeter erreichen, gemessen ohne den bis zu 60 Millimeter langen Schwanz. Solch ein Exemplar wiegt dann schon mal 650 Gramm. Der durchschnittliche Feldhamster weist etwa die Größe eines Meerschweinchens auf, wobei Männchen etwas stärker sind als Weibchen.

Feldhamster haben einen gedrungenen, kräftigen Körper mit stark ausgebildeten Krallen. Damit graben die dämmerungs- und nachtaktiven Tiere ihre Baue, in denen sie einen Großteil des Tages verbringen. Und das in der Regel allein: Feldhamster sind territoriale Einzelgänger, die ihre Baue rabiat gegen Artgenossen und andere Eindringlinge verteidigen. Die nicht selten mehr als einen Meter tiefen, oft langen und verzweigten Gänge mit Wohn-, Vorrats- und Kotkammern bieten guten Schutz gegen natürliche Feinde. Sicherheitshalber legen Hamster mehrere Eingänge als steile Fallröhren an, durch die sie sich in ihren Bau plumpsen lassen können, sollte sich ein Greifvogel, ein Fuchs oder auch eine Katze nähern.

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