Jagdglück in den Highlands

| Text: Ilka Dorn |

Hoch im Norden Schottlands erlebt HALALI-Redakteurin Ilka Dorn eine auf-reibende Pirsch. Denn Hirsche gibt es in dem Revier zwar viele, doch sich dem Wild in dem flachen Gelände bis auf Schussweite zu nähern erfordert zähe Ausdauer.

Zwei lange Jahre liegen hinter uns, Jahre des Abwartens, der Ungeduld und der Vorfreude. Was damals als erste Idee entstand, ging bald in die Planungsphase über und nahm nach viel Zeitaufwand und Recherche allmählich Gestalt an: Eine Jagdreise für insgesamt 19 Personen zur Hirschbrunft in die schottischen Highlands organisiert sich schließlich nicht von selbst. 19 Personen sollten Platz in einer Lodge finden, der Managementplan des Estates sollte ausreichend Kapazitäten für zehn Jäger bieten und die Umgebung sich mit Sehenswürdigkeiten für unsere Nichtjäger empfehlen. Und auch die Kinder sollten auf ihre Kosten kommen.

Hoch im Norden Schottlands, noch eineinhalb Stunden nördlich von Inverness entfernt, wurden wir endlich fündig. Für eine Woche eine weite Anreise aus Deutschland, doch die Abgeschiedenheit, der Komfort der Lodge und die Möglichkeiten, die das Estate jagdlich bot, waren jeden Kilometer wert.

Der erste Jagdtag beginnt früh am Morgen, es stehen die Kontrollschüsse und die Überprüfung der eigenen Waffen nach der langen Anreise auf dem Programm. Nicht weit von der Lodge entfernt ist ein kleiner provisorischer Schießstand eingerichtet worden. Zwei kleine Stahlscheiben auf einer Entfernung von knapp 140 Metern sind das Ziel. Wie hier üblich wird im Liegen geschossen. Für manch einen aus unserer Gruppe eine ungewöhnliche Schießposition, an die er sich erst noch gewöhnen muss. Liegt man jedoch erst einmal bequem, lässt es sich ganz angenehm und vor allem sehr ruhig und stabil aus dieser Position schießen. Erst als auch der letzte Schütze seinen Probeschuss abgegeben hat, werden wir auf mehrere Gruppen verteilt. Es geht in Zweierteams raus, also immer zwei Jäger zusammen mit einem Stalker. So jagt jeder in Begleitung und kann das Erlebte unmittelbar mit einem Freund teilen. Nicht umsonst heißt es ja „geteilte Freude ist doppelte Freude“!

Gemeinsam auf der Jagd

Ich bilde mit meinem Mann ein Team, für uns ganz ungewohnt, da wir doch zu Hause in der Regel getrennt jagen. Doch ich genieße es, dass wir uns mal den seltenen Luxus der Jagd im Duo gönnen, und freue mich schon sehr auf den Tag. Natürlich bietet mir Oliver an, die Büchse zuerst zu führen. Ich möchte jedoch, dass mein Mann beginnt und ich ihn den ersten Tag einfach nur begleite.

Fergus, unser Stalker, öffnet mir die Wagentür, und wir machen es uns in dem geräumigen Toyota Hilux bequem. Zuerst fahren wir an den äußersten Revierrand direkt hinter einer kleinen Ortschaft, um von dort aus die umliegenden Hänge nach Rotwild abzusuchen. Das Verfahren kennen wir schon: Von unten hält man nach Rotwild Ausschau, um sich dann, sollte man ein passendes Stück ins Visier bekommen, diesem in einer Pirsch zu nähern. Doch diesmal scheinen wir Pech zu haben. Wir halten an verschiedenen Stellen an, glasen die Hänge ab und entdecken auch so manches Stück, das aber leider nicht infrage kommt. So dringen wir mit dem Wagen in Richtung der Lodge tiefer ins Revier vor, um von dort aus Ausschau halten zu können.

Das Revier erstreckt sich an der östlichen Seite eines tief ins Landesinnere gezogenen Lochs und verläuft parallel zu der schmalen Straße, die entlang des Sees führt. Nur ein paar Häuser stehen hier links und rechts an der Straße, dahinter befindet sich ein halbhoher lichter Waldsaum, der sich die Hügel hinauf immer mehr öffnet und in eine flache Heidelandschaft übergeht. Das Gelände des Reviers stellt keine besonderen Anforderungen an die Kondition des Jägers, dazu sind die „Highlands“ hier zu flach. Außer Atem gerät man kaum. Herausfordernd wird die Pirsch erst auf den letzten Metern, und die haben es in sich. Die ebene Heidelandschaft bietet weder Schutz noch Deckung, sodass man sich öfter auf allen vieren bzw. kriechend fortbewegen muss, um nah genug ans Wild heranzukommen.

Warten auf Wind

Doch so weit sind wir noch lange nicht. Momentan stehen wir noch unten am Rand des Sees und beobachten ein Kahlwildrudel, das an einer Bergkuppe langsam über den Kamm zieht. Wir warten, dass der Wind einsetzt. Denn ohne Kenntnis der Windrichtung brauchen wir erst gar nicht loszuziehen, erklärt uns Fergus, der sich gelassen mit dem Rücken an die Autotür lehnt. Ein wenig ungeduldig glase ich die anderen Hänge ab, entdecke jede Menge Rotwild in weiter Entfernung und mache Fergus darauf aufmerksam. Da sei heute das andere Team unterwegs, uns gehören heute die Hänge rechts von der kleinen Schlucht, die sich hinter ein paar Häusern nach oben ziehe, sagt er, als mir eine Windböe die Haare ins Gesicht bläst.

Endlich kann es losgehen. Fergus entscheidet sich dafür, unseren Revierteil, den wir heute bejagen wollen, von der Grenze her zu erschließen. Der Wind kommt aus östlicher Richtung, und wir folgen ganz bequem einem kleinen uralten Wanderweg, der quer durch das Revier führt. Jederzeit können wir auf Wild stoßen, und entsprechend vorsichtig gehen wir den schmalen Pfad entlang. Ebenso können wir jedoch auf diesem Weg auch auf Wanderer stoßen, doch das Glück ist uns hold, denn wir begegnen keiner Menschenseele.

Erst nachdem wir eine ganze Zeit lang dem Pfad gefolgt sind, verlässt Fergus den bequemen Weg quer zum Berghang entlang und schlägt den Weg direkt nach oben ein. Sein Ziel ist eine kleine Senke oberhalb einer Hügelgruppe, in der sich das Rotwild immer wieder gerne aufhält. Hier steht noch ein verfallener Schafstall, von dem man einen guten Ausblick hat, doch bis dahin kommen wir erst gar nicht. Vor uns taucht aus einer kleinen Senke Kahlwild auf, dahinter hören wir das Röhren eines Hirsches. Sofort legen wir uns auf den Boden und warten, dass der Hirsch auftaucht. Das Kahlwild hat uns glücklicherweise noch nicht entdeckt und zieht in die nächste Senke hinab. Dann taucht der Hirsch kurz auf, zieht dem Kahlwild nach und verschwindet wieder aus unserem Blickfeld. Ein Kronenzehner, wenn ich auf die Schnelle richtig gezählt habe, doch auf jeden Fall zu jung. Fergus schüttelt den Kopf und schlägt erst einmal eine kleine Pause vor.

Die Mittagspause wird in Schottland von den Stalkern immer penibel eingehalten. Leider hatten wir noch keine Möglichkeit, einkaufen zu gehen, sodass wir mit Schokoriegeln und Leitungswasser vorliebnehmen müssen, während Fergus vor unseren Augen ein leckeres Sandwich verspeist. Dafür dürfen wir uns mit Blick auf das Tal und die umliegenden Berge in aller Ruhe an der Schönheit dieses Landstriches sattsehen. Und das bei freundlichem Wetter, was für Schottland um diese Zeit nicht gerade selbstverständlich ist.

Auf Umwegen zum Schuss

Nun wollen wir zu dem kleinen Pfad weiter unten zurückkehren, um dort die Pirsch quer durchs Revier fortzusetzen. Wir sehen den Weg bereits vor uns, als wir auf ca. 800 Meter Entfernung einen Hirsch entdecken, der passen könnte. Fergus will ihn näher in Augenschein nehmen. Also umrunden wir weiträumig eine offene Fläche und nähern uns dem Hirsch erneut von unten. Es beginnt eine anstrengende Pirsch auf allen vieren, tief geduckt, die uns allerdings nicht viel weiterbringt. Wir gelangen einfach nicht nah genug heran. Das Gelände vor uns macht eine Pirsch auch im Kriechen nahezu unmöglich. Wir brechen ab und ziehen uns wieder zurück.

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