Jagen kann heilen
| Text: Redaktion |
Vieles, was Barbara Hoflacher tut und ausmacht, mag zunächst widersprüchlich erscheinen: Sie ist Jägerin und Vegetarierin. Sie arbeitet in der Innsbrucker Kinderklinik und betreibt in ihrer Outdoorschule Heilpflanzenkunde. Sie ist fasziniert von überliefertem Heilwissen und erforscht Wildfette auf wissenschaftlichem Niveau.
Wie kam es, dass Sie sich als überzeugte Vegetarierin entschieden haben, Jägerin zu werden und auch das Wildbret von selbst erlegten Tieren zu essen?
Barbara Hoflacher: Als Reaktion auf Massentierhaltung, Tiertransporte und dergleichen habe ich mich vor 25 Jahren entschlossen, vegetarisch zu leben. Als ich dann aus reinem Interesse an Wildbiologie die Jagdprüfung gemacht habe, dachte ich niemals daran, selbst zu jagen. Doch das Schicksal hat mir eine Pirschführerin zur Seite gestellt, die mich auf einen Rehbock geführt hat. Das erste Mal bemerkte ich gar nicht, dass ich überhaupt geschossen habe, mir fiel nur auf, dass das Tier nicht mehr im Visier war. Als es dann hieß: „Weidmannsheil! Guter Schuss. Gratuliere, jetzt kannst du deine Familie ernähren!“, realisierte ich erst, dass das mir galt. Ich werde nie vergessen, wie ich dann das Fleisch dieses Rehbocks gegessen habe und das unbeschreibliche Gefühl hatte, das Wesen dieses Tieres in mich aufzunehmen. Und seitdem esse ich das Fleisch von Tieren, die ich selbst oder Freunde von mir geschossen haben.
Was macht eine gute Jägerin, einen guten Jäger aus?
Barbara Hoflacher: Achtsamkeit, Respekt und Mitgefühl jedem Wesen gegenüber. Für mich ist entscheidend, dass man nicht einfach jagt, um geschossen zu haben, vielleicht nur der Trophäe wegen, und das Wild dann liegen lässt oder dass es in der Garage, im Keller oder in der Tierkörperverwendung landet, sondern dass man möglichst viel bzw. alles verwertet. Das macht für mich den Sinn aus und gibt mir persönlich die Berechtigung, zu jagen.
Kann man das als „Nachhaltigkeit in der Jagd“ verstehen?
Barbara Hoflacher: Ja genau. Nehmen wir das Beispiel Murmeltier, das ich für diese Salbe erlegen durfte. Hier verwenden meine Jagdkollegen und ich wirklich alles. Wenn wir es schießen, werden am Abend gleich die Leber, das Herz und die Nieren verkocht, sofern sie nicht der Hund bekommt, der mit auf der Jagd war. Da das Murmeltier ja ein Vegetarier ist und keine Trichinen hat, muss es auch nicht weiter untersucht werden. Ich entnehme sofort das Innereienfett für meine Salben. Dann wird es abgebalgt, den Kern, also das Wildbret, essen wir gleich. Dem Balg wird in der alten Literatur eine große Heilwirkung zugeschrieben, der vor allem gegen rheumatische Beschwerden und Schmerzen hilft, und aus den Nagern fertige ich Schmuck wie diese Kette. Die Grammeln, die aus der Fetterzeugung übrig bleiben, kommen entweder auf den Fuchsluderplatz, oder sie werden zu Katzen- oder Vogelfutter verarbeitet. So ist das ganze Tier verwertet, und der Kreislauf schließt sich damit.
Sie betreiben Ihre „Jagdapotheke“ auch wissenschaftlich. Wie kam es dazu?
Barbara Hoflacher: Ich habe eine Ausbildung in Aromakunde gemacht und wollte für meine Diplomarbeit ein neues Feld erforschen. Da wir hier in den Alpen sind, lag das Murmeltieröl nahe, wozu später noch Hirsch, Dachs und Fuchs hinzukamen. Seither forsche ich intensiv auf dem Gebiet, wobei ich mich nicht nur auf alte Literatur wie Paracelsus, Lonicerus oder Hildegard von Bingen beziehe, sondern mich auch das Wissenschaftliche interessiert. Große Unterstützung erhielt ich von Frau Prof. Dr. Valencak der Vetmeduni Wien, die sofort vom Projekt begeistert war.
Für meine Wildfettuntersuchungen sende ich ihr immer eine rohe und eine bereits ausgelassene Probe, um festzustellen, ob sich durch Erwärmung das Fettsäuremuster verändert. Die Analyse brachte zutage, dass sich durch die Wasserbadmethode nichts verändert, das heißt, alles bleibt erhalten. Und so kann ich mit meinem Wissen die Fettsäureanalysen deuten und die alte Literatur mit wissenschaftlichen Erkenntnissen abgleichen. Ich bin ein Lehrling der Natur, keine Expertin. Ich forsche und möchte immer mehr lernen, begreifen und verstehen, damit ich das Wissen dokumentieren und weitergeben kann.