„Jeder Tag ist unvergesslich!“

| Text: Gabriele Metz |

Seit über 3 500 Jahren jagen Menschen mit Greifvögeln. Die Beizjagd ist eine der ältesten Formen der Jagd und zudem eine der ursprünglichsten der bis heute praktizierten Jagdarten. Doch die Kunst, mit dem Vogel zu jagen, hat auch für den modernen Falkner nichts von ihrem Reiz verloren.

Gaga steht auf der Faust wie eine gespannte Stahlfeder. Falkner Uwe Heinrichs (57) liebt dieses Gefühl, das ihm niemand in Gold aufwiegen könnte. Wann immer es möglich ist, geht der gebürtige Essener, der schon lange am Niederrhein lebt, mit seinem Habichtweibchen hinaus in die Natur. Städtische Parkanlagen, Jagdreviere, für die er zuvor die Genehmigung des Jagdpächters einholt, Freibäder … Es gibt so einige Orte, an denen es sich mit Vögeln besser jagen lässt als mit weittragenden Waffen. Seitdem Heinrichs, der schon als Jugendlicher von der Beizjagd träumte, zum ersten Mal mit einem Habicht jagte, ist seine Leidenschaft unaufhaltsam entflammt. „Diese Schnelligkeit, diese Wendigkeit … der zieht von der Faust wie ein Düsenjäger“, schwärmt er. Und auch sein allergrößter Traum, ein Habichtsadler, verwandelte sich mit Leika in Wirklichkeit. Das imposante Weibchen zieht mit fast zwei Metern Flügelspannweite alle Blicke auf sich. Und es ist eine ganz besonders vertrauensvolle, partnerschaftliche Beziehung, die sie mit ihrem Falkner verbindet.

Doch heute steht erst mal Wildkaninchen auf dem Programm. Das ist Gagas Spezialität, denn der Moerser Schlosspark ist deckungsreich. Leika kommt später zum Einsatz – auf freier Fläche, bei der Beizjagd auf Feldhasen. Jagdpächter Christoph Rudolph, Fachbereichsleiter der Feuerwehr der Stadt Moers, erwartet Heinrichs bereits. Der hat Verstärkung mitgebracht: den Revierförster der Gräflich von Spee’schen Forstbetriebe Heltorf, Klaus Weinem, mit Habichtweibchen Lizzy und Freund Marek mit einem jungen Rothabicht. Gemeinsam geht es auf die Fläche des an den Schlosspark angrenzenden Freibads, und die sich hier stellende Aufgabe ist unübersehbar: An mehreren Stellen sind großflächig angelegte Kaninchenbaue zu erkennen. Auf den kleinen Erhöhungen rund um die Bauanlagen ist Kaninchenlosung auszumachen. Ein idealer Ort, um eines der drei mitgebrachten Frettchen einschliefen zu lassen. Es dauert keine zehn Sekunden, da flitzt das erste Kanin aus der Röhre. Jetzt geht alles blitzschnell. Gaga schnellt von Heinrichs’ Faust, saust durch die Luft und bekommt das Kanin mit ihren starken Klauen zu fassen. Heinrichs eilt sofort hinzu und schlägt es ab. Dann atzt er Gaga, aber nicht zu lange, denn dies soll ja nicht ihr letzter Flug des Tages sein.

Auszuloten, mit welchem aktuellen Tagesgewicht ein Habicht die größte jagdliche Motivation zeigt, ist eine Wissenschaft für sich. Da reicht kein Basiswissen: Ein satter Vogel jagt nicht, und einem ausgehungerten Vogel mangelt es an Energie zum Jagen – das leuchtet ein. Bei Heinrichs geht es jedoch um weitaus feinere Details. Oft entscheiden wenige Gramm darüber, ob die Beizjagd erfolgreich verläuft oder nicht. „Ich wiege meine Vögel regelmäßig auf einer Küchenwaage, auf ein Gramm genau. Schon Tage zuvor, am Abend vor der Jagd und dann wieder morgens. Wobei sie bei einer Temperatur von sieben Grad Celsius in einer Nacht durchaus bis zu 25 Gramm verlieren können. Und auch bei jedem Flug sinkt das Körpergewicht. Parallel dazu wächst der Jagdeifer“, erklärt der Mann, der Ende der 70er-Jahre als Tischlerlehrling – in seinen Mittagspausen – begeistert Vorrichtungen für Greifvögel gebaut hat. Erfolgserlebnisse sind natürlich ebenso ausschlaggebend für die Motivation und das zukünftige Jagdverhalten. Deshalb ist das Atzen wichtig. Ohne dieses Erfolgserlebnis macht der auf Nahrung fokussierte Vogel nach ein paar Misserfolgen einfach nicht mehr mit.

Jetzt ist Lizzy dran. Das junge Habichtweibchen verfügt noch nicht über Gagas Erfahrungsreichtum, dennoch wird sie im Moerser Schlosspark überzeugen. Doch zunächst ist Geduld angesagt. Eine Tugend, die bei der Beizjagd ohnehin ihren Stellenwert hat. Das Frettchen verschwindet in einer Röhre, taucht auf der anderen Seite des Baus wieder auf, um erneut im Inneren zu verschwinden. Minutenlang – nichts. Dann überschlagen sich die Ereignisse.

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