Parabuteo unicinctus – Leben und Lernen mit einem Wüstenbussard

| Text: Inga Haase |

Jägerin Vivian Pilch war schon immer von der Falknerei fasziniert. Vor drei Jahren erfüllte sie sich ihren Traum von einem eigenen Harris Hawk. Die Fotografin und Redakteurin Inga Haase sprach mit ihr über die Schwierigkeiten und Herausforderungen bei der Konditionierung eines Greifvogels.

Vivian Pilch ist Jägerin, Hundeführerin und seit 2021 auch passionierte Falknerin. Die Sachsen-Anhaltinerin jagt mit ihrem Mann, ihren beiden Hunden und ihrem Harris-Hawk-Weib Helvy in einer der fruchtbarsten Regionen Sachsen-Anhalts: der Börde. Schon während der Ausbildungszeit zum grünen Abitur wurde ihr Interesse an der Beizjagd geweckt. Neben dem Hundewesen und der allgemeinen Wildtierkunde hatte es ihr die Welt der Greifvögel angetan. 2021 erfüllte sie sich schließlich einen lang gehegten Traum und absolvierte erfolgreich die Falknerprüfung.

Während des Falknerkurses hast du deine Liebe für den Harris Hawk entdeckt. Was fasziniert dich an diesem Vogel ganz besonders?
Ich mag seine sozialverträgliche Art als Jagdbegleiter ungemein und schätze daher die Möglichkeit, mit ihm in Kompanie zu jagen.

Etwa ein Jahr nach dem Bestehen der Falknerprüfung hast du dir mit Helvy einen lang gehegten Traum
erfüllt. Wie hast du die ersten Monate mit deinem Wüstenbussard erlebt?

Im September 2022 zog Helvy bei uns ein. Mein erstes Harris-Hawk-Weib. Es war eine ganz besondere, aber auch aufreibende Zeit. Im Falknerkurs lernt man hauptsächlich die Theorie der Falknerei, und nun wollte ich diesen Vogel zu meinem Jagdgefährten ausbilden. Ich habe sie am ersten Tag instinktiv aus der Transportkiste geholt und auf meine Faust genommen. Nachdem ich täglich engen Kontakt zu ihr gepflegt hatte und sie irgendwann selbstständig auf meine Faust übertrat, war ich fürs Erste zufrieden mit uns. Es galt nun noch die perfekte Atzungsmenge für sie herauszufinden. Wenn man sich für einen Harris Hawk entscheidet, sollte man sich auf jeden Fall auch mit seiner Herkunft beschäftigen. Das Verbreitungsgebiet des Wüstenbussards reicht vom Südwesten der USA über Mexiko und Mittelamerika bis nach Patagonien. In diesen Regionen herrschen ganzjährig überwiegend warme bis heiße Temperaturen. Diese Tat-sache habe ich zu Beginn meiner Beobachtungen und beim Atzen von Helvy nicht bis zu Ende bedacht. Wenn man diesen Vogel für die Jagd konditionieren möchte, spielt das Wetter in Bezug auf die Atzungsmenge eine entscheidende Rolle. Helvy reagiert sehr sensibel auf die Außentemperaturen und das Wetter. Wenn man über die Konditionierung von Greifvögeln spricht, muss man wissen, dass sie keinesfalls aus Wollust oder Langeweile jagen. Sie gehen sehr sparsam mit ihrem Energiehaushalt um und jagen nur, wenn sie Hunger verspüren oder ihre Nestlinge zu versorgen haben. Dafür müssen sie durch den Falkner auf das richtige Jagd-gewicht gebracht werden. Konditionieren bedeutet, dass der Vogel eine Art Diät einhalten muss, um die notwendige Motivation zum gemeinsamen Jagen zu erlangen. Nachdem ich meine erste Beizsaison damit verbracht hatte, Helvy an mich zu gewöhnen und sie schlussendlich in der freien Folge fliegen konnte, war im Februar 2023 der Zeitpunkt der Mauser gekommen. Ich ließ sie in Ruhe mausern.

Im ersten Jagdjahr konnte ich noch keinen Beizerfolg verzeichnen. Im Folgejahr erhielt ich fachliche Unterstützung von zwei erfahrenen Falknern, die sich mit der Krähenbeize auskannten und ihre Vögel sehr engagiert auf Krähen fliegen ließen. Ich lernte immer mehr über die Konditionierung meines Vogels und die damit verbundenen Verhaltensänderungen.

In welchem Zusammenhang stehen das Wetter und die Konditionierung?
Sie sind untrennbar miteinander verbunden. Ende August schaffte ich es, das Gewicht meines Vogels zu reduzieren. Dennoch ließen die Temperaturen noch kein optimales Jagdgewicht zu. Die Waage veränderte ihre Anzeige kaum. Ich war nicht nur verzweifelt, ich war schon fast deprimiert, so ehrgeizig und verbissen ging ich an die ganze Sache he-ran. Hohe Temperaturen sind für die Konditionierung suboptimal. Trotz geringer Atzungsmengen blieb ihr Körper in einem natürlichen Überlebensmodus. Mein Vogel bewegte sich aufgrund der Wärme kaum und bildete auch bei wenig Nahrung ausreichend Energie- und Fettreserven. Im September blieb das Wetter weiterhin mild. Ich wog Helvy weiterhin täglich, doch sie hielt unnachgiebig nahezu ihr Mausergewicht von 1 100 g.

Warum ist das Wiegen des Vogels so wichtig?
Im ersten Jahr nahm ich das Wiegen nicht ganz so ernst, musste aber schnell feststellen, dass diese Routine unverzichtbar für jeden Falkner ist. Spätestens zu dem Zeitpunkt, in dem der Vogel die erste Nacht im Revier verbringt, weil er aufgrund des zu hohen Gewichts einfach im Baum bleibt und nicht mehr zur Faust kommt, wird das tägliche Wiegen zur Selbstverständlichkeit. Am kommenden Morgen kam sie glücklicherweise wieder zu mir. Als die Temperaturen allmählich sanken, sank auch Helvys Gewicht. Es gibt allgemeine Faustformeln, die beschreiben, wie man seinen Beizvogel in optimaler Jagdkondition hält. Doch sollte man sich nicht allzu verbissen daran orientieren, da jeder Vogel unterschiedlich auf die angegebenen Futtermengen reagiert. Den Harris Hawk zwischendurch mal einen Tag „leer“ stehen zu lassen ist durchaus möglich. In der Natur haben Greife auch nicht täglich Jagderfolg. Dennoch wird sich durch das kurzfristige Hungern am Gewicht des Vogels nicht viel ändern, da der Wüstenbussard sehr gut mit seinem Stoffwechsel spielen und das Gewicht trotzdem halten kann. Für effektiver halte ich die Gabe einer geringen Atzungsmenge durch beispielsweise Kükenbeine. Anhand meiner Fütterungstabelle konnte ich genau feststellen, ab wann Helvy in Richtung Jagdkondition steuerte. Weniger ist bei ihr mehr. Es darf keine Routine in ihre Fütterung kommen. So gibt es bei uns beispielsweise an einem Tag nur ein Küken und am nächsten Tag wiederum drei. Ich habe fast einen ganzen Monat gebraucht, um ihr Gewicht von 1 127 g auf 950 g zu reduzieren. Dieser Erfolg verlieh mir neuen Aufschwung. Das Verhalten von Helvy änderte sich zusehends. Sie wurde im Auto viel aufmerksamer, ritt sogar ohne Atzung auf die Faust bei und wurde anschmiegsamer. Endlich kam der Jäger in ihr durch.

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