Rotfuchs mit Familiensinn

| Text: Dr. Johanna Maria Arnold und Dr. Janosch Arnold |

Kaum ein anderer Raubsäuger ist hinsichtlich seines Verbreitungsgebietes so erfolgreich wie der Rotfuchs. Dies liegt an seiner hohen Anpassungsfähigkeit, die durch eine generalistische Lebensweise und eine hohe ökologische Plastizität geprägt ist.

Der Rotfuchs (Vulpes vulpes) gehört systematisch betrachtet zu den Hunden (Canidae), eine Familie innerhalb der Überfamilie der Hundeartigen (Canoidea), der auch die Gruppe der Schakale, Kojoten, Wölfe und Haushunde angehört.

Das Nahrungsspektrum des Rotfuchses ist breit gefächert, und auch in seiner Lebensraumwahl ist er wenig wählerisch, wenn es sein muss. Diese Fähigkeiten erlauben es ihm, sich flexibel an unterschiedliche Bedingungen anzupassen. Neueren Erkenntnissen zufolge kann sich der Rotfuchs auch hinsichtlich seiner Sozialstrukturen flexibel organisieren.

Noch bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts wurde Reineke als Einzelgänger beschrieben (Scott 1943). Mit dieser Annahme scheint der Rotfuchs eine Ausnahme in der Familie der Hunde zu bilden, denn Hunde organisieren sich meist in mehr oder weniger großen Rudeln, und die Individuen gehen dabei starke soziale Verbindungen ein.

Ab den 70er-Jahren belegten erste Untersuchungen zum Raum-Zeit-Verhalten, dass der Rotfuchs durchaus unter bestimmten Umständen in größeren Familienverbänden lebt. Insbesondere Studien an „Stadtfüchsen“ in Großbritannien trugen zu diesen Erkenntnissen bei (Harris 1979, Macdonald 1987, Baker et al. 1998, Iossa et al. 2009, Arnold et al. 2011). Folglich wurde die Art den fakultativ rudelbildenden Arten zugeordnet. Nicht nur unterschiedliche Formen der Sozialstruktur, sondern auch verschiedene Paarungssysteme konnten nachgewiesen werden. Diese reichen von monogamem Verhalten bis hin zu rudelartigen Strukturen, die sich durch ein polygynandrisches Verhalten auszeichnen, bei dem sich beide Geschlechter mit mehreren Partnern paaren.

Ist denn nun der Familiensinn des Rotfuchses viel ausgeprägter als bisher angenommen? Finden Rüde und Fähe nur zur Ranz zusammen? Beteiligt sich Vater Fuchs an der Aufzucht der Jungtiere? Genauere Kenntnisse über die Sozialstruktur beim Rotfuchs helfen, adäquate Wildtiermanagementmaßnahmen zu setzen. Für die Jagdpraxis beispielsweise ist es wichtig, zu wissen, ob die Entnahme von Rüden zu Zeiten der Welpenaufzucht ohne Konsequenzen für das Geheck bleiben würde. Hilfestellung bei der Beantwortung offener Fragen über das Leben von Rotfüchsen leistet(e) der Einsatz neuer Forschungstechniken. Durch die Verwendung von GPS-Ortungssendern kann das Raum-Zeit-Verhalten der Tiere in verschiedenen Lebensräumen nahezu lückenlos beobachtet werden. Gleichzeitig können mithilfe von genetischen Verfahren auch die Verwandtschaftsverhältnisse und die soziale Organisation der besenderten Tiere geklärt werden. So bieten neuere Studien einen tieferen Einblick in das Leben der Rotfüchse.

Rudelbildung beim Rotfuchs

Ein Rudel kann definiert werden als eine Gruppe, deren Mitglieder sich individuell kennen, nicht beliebig austauschbar sind und hierarchisch gegliedert sind (Börner & Arnold 2017). Das Auftreten von Rudeln beim Rotfuchs kommt unter bestimmten Voraussetzungen vor. Rotfuchsrudel treten dabei in verschiedenen Zusammensetzungen auf. Caniden wurden als monogam eingestuft (Kleimann 1977), und der Rotfuchs ist in seinem Grundmuster auch den monogamen Arten zuzuordnen. Mittlerweile aber ist bekannt, dass innerhalb der Caniden unterschiedliche Formen der Reproduktion sowie des Zusammenlebens auftreten. Bei hohen Rotfuchsdichten wurden polygynandrische Zusammensetzungen (d. h. mehrere Weibchen und mehrere Männchen, also beide Geschlechter, paaren sich mit mehreren Partnern) der Rotfuchsrudel festgestellt.

So wurden bei Dichten über 20 Tieren pro Quadratkilometer durchschnittlich 4,7 Rudelmitglieder ermittelt, wobei maximal zehn adulte Tiere und ihre Nachkommen in einem Rudel waren. In diesen Gruppen findet sich ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis (GV) (polygynandrisch, GV: 1:1) (Iossa et al. 2009). Auch rudelfremde Männchen können in den Verband mit aufgenommen werden. In städtischen Lebensräumen beispielsweise wurden Dichten von etwa fünf Tieren pro Quadratkilometer vorgefunden, bestehend aus dem residenten Paar und ein bis zwei weiblichen Nachkommen (polygyn [ein Männchen verpaart sich mit mehreren Weibchen], GV: 1:2,5) (Iossa et al. 2009). Parallel zu in Gruppen organisierten Tieren finden sich jedoch auch immer Verbindungen, die lediglich aus dem residenten Paar und dessen Nachkommen bestehen. Warum einige Tiere eher zur Gruppenbildung neigen als andere, ist bislang unklar (Börner & Arnold 2017). Doch auch bei monogamen Verbindungen kann es immer wieder zum sogenannten „extrapair mating“ kommen: Während der Ranzzeit entfernt sich ein Rüde aus seinem Streifgebiet und verpaart sich andernorts mit einer Fähe (Soulsbury et al. 2011, Janko 2012).

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