Schnappschüsse, Skurriles und Familiengeschichten – Laura Nitsche verblüfft mit ungewöhnlichen Kunstprojekten

| Text: Gabriele Metz |

Persönlich Erlebtes festhalten. Eine Zeitkapsel für jetzt oder für eine bereits vergangene Zeit kreieren. All das gehört zu den Zielen der österreichischen Künstlerin Laura Nitsche, die sich von jagdlichen Impulsen ebenso inspirieren lässt wie vom geheimnisvollen Charme einer Diaserie aus den 1960er-Jahren.

Es ist vor allem das Interesse an der Natur und das Bestreben, sich immer neues Wissen über jagdliche Themen und Traditionen anzueignen, was Laura Nitsche mit der Jagd verbindet. Zudem sammelt sie leidenschaftlich gerne persönliche Erfahrungen in verschiedenen Milieus. Zum Beispiel bei Gesprächen mit anderen. „Ich liebe es, wenn mir Jäger von ihren Jagderlebnissen erzählen. Ich selbst jage nicht, obwohl ich die Jagdausbildung absolviert habe. Ich begleite ab und zu Freunde. Ich mag die Morgendämmerung, die Vorfreude der Hunde und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Ich esse ausschließlich Fleisch von Wild, das befreundete Jäger erlegt haben, und würde als aktive Jägerin für die Tiefkühltruhe, nicht für Trophäen jagen“, sagt die Frau, deren künstlerisches Schaffen unter anderem von der Jagd beeinflusst wird. Insofern die Themen gerade selbst eine Rolle in ihrem Leben spielen.

„Als ich für die Jagdprüfung gelernt habe, wollte ich die praktischen Dinge wie Aufbrechen und Wildbrethygiene in der Praxis lernen und nicht nur theoretisch streifen. Mich interessierten der archaische Aspekt und die potenzielle Möglichkeit der Selbstversorgung. Vor meiner Prüfung hatte ich Jagdkollegen von Schloss Eckartsau gebeten, mich zu verständigen, wenn sie ein Stück geschossen hätten. Ich wollte dabei sein und lernen. Ich komme aus Wien, stamme also aus einem städtischen Umfeld. Das heißt, für mich war das alles eine ganz neue Welt. Die Bilder des Aufbrechens von Schwarzwild und dessen Eingeweiden habe ich mit viel Enthusiasmus gemalt, und sie zählen – wie ich finde – zu meinen besten Bildern“, versichert Laura Nitsche. Diese seien vielleicht nicht unbedingt fürs Jagdstüberl oder Wohnzimmer geeignet. Sie haben nichts romantisch Verklärendes. Man sieht die Einweghandschuhe, den gekachelten Boden und die Plastikwanne für den Aufbruch.

Die Österreicherin mag deren Komposition und den dynamischen Pinselstrich, und es erinnert sie an eine sehr intensive Zeit in ihrem Leben. „Das Bild ‚Sau aufbrechen‘ wurde auf Schloss Orth ausgestellt; im Rahmen einer Ausstellung mit dem Titel „Achtung Idylle!“. Der Begleittext dazu handelte davon, dass Menschen zwar gern am Sonntag im Wald spazieren gehen und anschließend ihr Schnitzel essen, aber sie wollen lieber nicht sehen, woher es kommt, so wie es das Bild zeigt. Das fand ich sehr passend“, erzählt Laura Nitsche.

Auch die gewonnene Selbsterfahrung durch die Jagdprüfung und der Umgang mit der Waffe tragen zur Formung ihrer künstlerischen Identität bei. Obwohl sie heute eine gute Schützin ist, war ihr der Umgang mit Waffen lange Zeit ein Gräuel. Es kostete sie echte Überwindung, die wöchentlichen Trainings am Schießstand – als einzige Frau des Jahrgangs – zu absolvieren. „Das Bewusstsein, dass sowohl ich als auch alle anderen mit tödlichen Maschinen hantieren, ist überraschend und kaum mit Alltagserfahrungen vergleichbar. Da passiert innerlich viel, was auch mit Identitätsbildung im Sinne von Selbsterkenntnis und Menschenkenntnis zu tun hat“, resümiert die gebürtige Wienerin, die sich als zeitgenössische Künstlerin versteht, die zwar eigene und auch gesellschaftliche Themen in ihren Werken reflektiert, sich in diesem Sinne aber nicht als Jagdmalerin sieht, die beispielsweise Schießscheiben malt.

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