Sicher über die Autobahn – Querungshilfen für Wildtiere

| Text: Gabriele Metz |

Die Artenvielfalt zu schützen und zu fördern ist eine der wichtigsten Aufgaben in der heutigen Zeit. Querungshilfen ermöglichen wild lebenden Tieren ein Überwinden von Verkehrs-
barrieren, tragen zur Verringerung von Lebensraumzerschneidung durch Verkehrswege bei und unterstützen so den Erhalt der biologischen Vielfalt.

Sechsspurige Autobahnen, Lärmschutzwände und ICE-Trassen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr verkündet stolz: „Das gesamte Straßennetz in Deutschland ist in Summe mehr als doppelt so lang wie der Abstand zwischen der Erde und dem Mond.“ In Deutschland erfreuen rund 830 000 Kilometer Straßen die Autofahrer. Für Wildtiere sind sie hingegen bestandsbedrohend. Denn mehrere Hunderttausend Kilometer Straßen zerschneiden ansonsten offene Landschaften. Die Folge: jährlich ca. eine viertel Million Unfälle mit Reh, Hirsch und Wildschwein. Bezogen auf das Schalenwild machte Rehwild laut Statistik des Deutschen Jagdverbands e. V. (DJV) im Jagdjahr 2022/23 mit rund 209 400 Unfällen den Hauptanteil aus. Gefolgt von rund 15 220 Unfällen mit Schwarzwild.

Zerschnittene Lebensräume

Konfliktpunkte zwischen Wildwechseln und Verkehrswegen entstehen durch die klein- und großteilige Zerschneidung der Landschaft, die sich unmittelbar auf den Lebensraum von Wildtieren auswirkt. Der Raum für Fortpflanzung schwindet. Ein zunehmend limitierter Genpool mitsamt Gendefekten und einer Schwächung der davon betroffenen Arten ist eine der Folgen. Zudem werden die Fluchtmöglichkeiten minimiert, was ein Ungleichgewicht von Raub- und Beutetieren fördert. Laut NABU gibt es in ganz Deutschland nur noch acht unzerschnittene Räume, die jeweils eine Größe von über 400 Quadratkilometern aufweisen. Dies entspreche der Größe, die von einem männ-lichen Luchs als Revier beansprucht werde.

Risiken mindern

Für Wildtiere mit Wanderpotenzial birgt die Verkehrsdichte eine tödliche Gefahr. Grünbrücken, Faunatunnel und Tierdurchlässe sollen dazu beitragen, das Risiko für das Wild zu reduzieren, indem sie zerschnittene Lebensräume wieder miteinander verbinden. Doch damit Querungshilfen auch ihren Zweck erfüllen, müssen sie zahlreiche Anforderungen erfüllen. „Der Bau von Querungshilfen (Grünbrücken, Faunabrücken und Tier-Unterführungen) gehört seit einigen Jahren zum Maßnahmeninventar des Straßenbaus zur Vermeidung übermäßiger Lebensraumzerschneidung einer ehemaligen Bahntrasse machte es möglich. Allerdings nutzen diesen Tunnel nicht nur geflügelte Nachtschwärmer. Das Highlight des 80 Kilometer langen „SauerlandRadrings“ ist auch ein beliebtes Ziel von Wanderern und Joggern. Im baden-württembergischen Bad Boll gibt es eine Grünbrücke, die an der A 8 bei Aichelberg Wildtieren eine sichere Überquerung ermöglicht. Über die A 71 führt die Tierbrücke bei Wolfsberg in Thüringen. Sie ist ein gelungenes Aushängeschild für den Artenschutz. In Brandenburg ermöglicht ein Krötenzaun mit Tunnel jährlich Tausenden von Amphibien eine sichere Wanderung.

Sind diese richtig geplant, am richtigen Ort gebaut, die Ansprüche aller erheblich betroffener Arten berücksichtigt (d. h. vom Laufkäfer bis hin zum Rothirsch) und sind sie mit dem Hinterland verbunden, tragen Querungshilfen zur Verringerung von Lebensraumzerschneidung durch Verkehrswege bei und unterstützen so den Erhalt der biologischen Vielfalt“, so das Bundesamt für Naturschutz.

Wildbrücken in Deutschland

Zur Erläuterung: Es gibt unterschiedliche Arten von Querungshilfen. Dazu zählen auch Amphibientunnel, Wildbrücken und Fischtreppen. Mindestens 50 Meter breit sollte eine Grünbrücke sein, damit sie auch von größeren Wildtieren genutzt wird. Ab 80 Meter Breite bezeichnet man das Kreuzungsbauwerk als Landschafts-tunnel. Kleintierbrücken sind nur wenige Meter breit. Idealer Standort: an bekannten Wildwechseln. Hecken an den Seitenrändern schirmen den Blick der Wildtiere auf Autobahn oder Bundesstraße ab. Die Ortung von Wanderkorridoren erfolgt mithilfe verschie-dener Ansätze: unter anderem durch Beobachtungen von Jägern und Förstern sowie durch die Analyse des
Wanderverhaltens der Tiere und von Todfunden auf der Autobahn. Per Fotofallenmonitoring wird die Nutzung der Brücken dokumentiert. Ergänzend kommen hier auch Wärmebildkameras zum Einsatz. Ein paar Beispiele: Ganze 689 Meter lang ist der Fledermaustunnel im sauerländischen Kückelheim. Der Umbau einer ehemaligen Bahntrasse machte es möglich. Allerdings nutzen diesen Tunnel nicht nur geflügelte Nachtschwärmer. Das Highlight des 80 Kilometer langen „SauerlandRadrings“ ist auch ein beliebtes Ziel von Wanderern und Joggern. Im baden-württembergischen Bad Boll gibt es eine Grün-
brücke, die an der A 8 bei Aichelberg Wildtieren eine sichere Überquerung ermöglicht. Über die A 71 führt die Tierbrücke bei Wolfsberg in Thüringen. Sie ist ein gelungenes Aushängeschild für den Artenschutz. In Brandenburg ermöglicht ein Krötenzaun mit Tunnel jährlich Tausenden von Amphibien eine sichere Wanderung.

Grünbrücken weltweit

Auch im Ausland gibt es Konzepte zur Wiederherstellung eines zusammenhängenden Netzes von Wildtierlebensräumen. Ein Beispiel ist das „Meerjarenprogramma Ontsnippering“ in den Niederlanden. In Österreich gibt es das Projekt „Lebensraumvernetzung Wildtiere“. In der Schweiz besteht ein Wildtierkorridor-Projekt, zu dem unter anderem eine Grünbrücke zwischen Winterthur und Schaffhausen im Kanton Zürich gehört, die vor allem von Rotwild zum Queren genutzt wird. Auch die Tschechische Republik ist hinsichtlich nationaler Wiedervernetzungsprogramme aktiv. In anderen Ländern gibt es regionale Konzepte zur Wiedervernetzung. Dazu gehören Frankreich und Belgien. Und es geht auch noch weiter: Ein spektakuläres Bild bietet sich Autofahrern auf der australischen Weihnachtsinsel. Dort überqueren jährlich mehrere Millionen Rote Landkrabben eine spezielle Brücke, die eigens für die Krabbenwanderung erbaut wurde. Und der Banff-Nationalpark im kanadischen Staat Alberta verfügt gleich über mehrere Unter- und Überführungen für Wildtiere. Angesichts des hohen Besucheraufkommens eine sinnvolle Maßnahme, um die Unfallgefahr für Tier und Mensch zu reduzieren. Damit nicht genug: In Alberta – genauer in Cold Lake – führt die weltweit erste Tierbrücke über Ölrohre.

Dramatische Folgen

Die Zerschneidung von Lebensräumen zieht zahlreiche dramatische Folgen für Flora und Fauna nach sich. Dazu gehören die Einschränkung der Lebensräume von Tieren und Pflanzen ebenso wie die Behinderung des genetischen Austauschs zwischen den Populationen sowie die Beeinträchtigung der Besiedlung neuer Lebensräume. Hinzu kommt die hohe Anzahl an Verlusten innerhalb der Tierbestände – verursacht durch Wildunfälle im
Straßenverkehr. Damit nicht genug: Flächenverluste, Nutzungsintensivierung, Gewässerausbau und Entwässerung verändern die Natur, die globalen Folgen des Klimawandels erweisen sich zudem als zusätzliche Herausforderung, denn sie begünstigen als akute Gefahr den Anstieg von Artenverlusten. All das schwächt die Ökosysteme und hemmt des Weiteren die Anpassungsfähigkeit der Arten an sich verändernde Umweltbedingungen. Wildwechsel sind nicht nur für die Tiere gefährlich. Wildunfälle gefährden in hohem Maß auch die Sicherheit von Menschen und verursachen zudem – laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft – jährlich rund 950 Millionen Euro Sachschaden.

Bundesprogramm Wiedervernetzung

Ziel des Bundesprogramms ist es, die durch das Bundesfernstraßennetz zerschnittenen Lebensraumkorridore, beispielsweise durch den Bau von Querungshilfen für Tiere, wieder miteinander zu vernetzen. Das Bundesprogramm beinhaltet keine Maßnahmen anderer Verkehrsträger oder Maßnahmen im nachgeordneten Straßennetz, wie z. B. Landesstraßen. Es setzt sich aus den Aktionsfeldern Straßenbau, Naturschutz und Landschaftspflege sowie räumliche Gesamtplanung zusammen. Es enthält 14 Abschnitte an Autobahnen und Bundesstraßen in Baden-Württemberg, an denen mittel- bis langfristig Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen umgesetzt werden sollen (z. B. Grünbrücken). Die Zuständigkeit für Autobahnen und somit auch für die Grünbrücken an Autobahnen liegt seit dem 01.01.2021 bei der Autobahn GmbH des Bundes.

Von den 14 Maßnahmen des Bundesprogramms ist die Grünbrücke „Imberg“ an der A 8 östlich von Merklingen fertig gestellt. Darüber hinaus haben die Regierungspräsidien bei zehn weiteren prioritären Abschnitten die Arbeiten zur Standortfindung bzw. die Planungen für Wiedervernetzungsmaßnahmen aufgenommen. In Kürze ist der Baubeginn einer weiteren Maßnahme vorgesehen (Optimierung einer Unterführung der A 5 südlich Rastatt/Niederbühl). Die Arbeiten für die Grünbrücken an Autobahnen in Baden-Württemberg werden von der Autobahn GmbH des Bundes fortgeführt. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg ist fachlich in die Verortung und Gestaltung der Maßnahmen eingebunden.

Weitere Infos: www.vm.baden-wuerttemberg.de

Sie finden den Artikel spannend und möchten ihn gern weiterlesen?
Dann lohnt es sich, das ganze Heft zu kaufen.