„Sie reißen dein Angelzeug zu Klump“

| Text: Simon K. Barr |

Die Fische auf den Seychellen gehören zu den härtesten und zähesten Fischen der Welt; sie sind Faustkämpfer des Ozeans, die kein Aufgeben kennen. HALALI-Autor Simon K. Barr berichtet von seinen atemberaubenden Erlebnissen auf dem Cosmoledo-Atoll.

Morgens erwachen in einem zur Öko-Lodge umfunktionierten Schiffscontainer, einen stahlblauen, strahlenden Himmel über sich, zu Füßen puderweißer Strand und ein glasklares, türkisblaues Meer von einer Intensität, die sich kaum erträumen lässt – das wird nie alt und langweilig, besonders wenn es sich bei dem erwähnten Meer um jenes Fischerparadies handelt, das man die Seychellen nennt. Es ist jede einzelne Minute der langen Reise (immerhin drei Flüge und eine Bootsfahrt) wert.

Wir waren irgendwo im Nirgendwo auf einer unbewohnten Insel, die sich so anfühlte, als wären wir direkt in einem National-Geographic-Magazin gelandet. Ich hatte das große Glück, Teil der „Gordy & Sons“-Fischereiexpedition zu sein, gemeinsam mit Garrett Gordy, Kenton Thompson, Brandon Smith, Alan Jacobson, Paul Puckett, Chance Yarbrough, Jeff Harris, Baron Boyette und Daniel „Rooster“ Leavens. Das Vergnügen, ganze sieben Tage mit Gordys Gruppe zu fischen, hatte ich schon einmal für eine Woche genossen. So etwas ist fraglos ein Riesenspaß: Ob es die Fischerei am Tage oder das Lachen am Abend ist – beides wird mit gleicher Verve angegangen, hier gibt es keine halben Sachen.

Wir hatten uns bei der „Alphonse Fishing Company“ eingebucht, gegründet von Fischerei- und Entdeckerlegende Keith Rose-Innes. Sein Team führt einen tadellosen Betrieb auf mehreren Atollen der Seychellen. Dieser Archipel hat sich seinen Rang als eines der Top-Traumziele für Salzwasser-Fliegenfischer erobert, was kein Wunder ist: kampflustige Fische bei (bis auf die Monsunzeit) zuverlässig perfektem Wetter.

Das Cosmoledo-Atoll, unser Fischrevier, liegt außerhalb der Seychellen-Bank und ist Teil der Aldabra-Gruppe, wo jüngst gerade mal eine Handvoll solcher Öko-Lodges errichtet worden sind. Die Seychellen bestehen aus 115 Inseln, und die zugehörige Wasseroberfläche beträgt überwältigende 1,4 Millionen Quadratkilometer. Fischt man hier, liegt einem nicht die Welt, sondern der Ozean zu Füßen. Cosmoledo liegt 1 030 Kilometer südwestlich der Seychellen-Hauptinsel Mahé. Die Aldabra-Gruppe wird dank ihrer reichen Fauna gern als die „Galápagos-Inseln des Indischen Ozeans“ bezeichnet. Das Atoll (ringförmiges Riff) besteht aus mehreren einzelnen Inseln und misst in Nord-Süd-Ausdehnung ca. 17 Kilometer: Weite Sandflächen wechseln sich mit kleinen Eilanden ab, das Wasser lässt sich bestens durchwaten und bildet das Habitat für einen paradiesischen Fischreichtum.

Die Fische auf den Seychellen sind nicht irgendwelche Fische. Hier finden sich mit die härtesten und zähesten Fische der Welt, Faustkämpfer des Ozeans, die kein Aufgeben kennen. Eine Art darunter ist besonders berühmt und berüchtigt: die Dickkopf-Stachelmakrele, der „giant trevally“. Dieser Räuber ist wild und kräftig, ihm fällt alles zur Beute, was sich bewegt: von der Krabbe bis zum Aal, und alles, was dazwischenliegt.

Es war Mitte März, und wir mussten mit hoher Flut rechnen. Für die Leser, die noch nie auf den Seychellen gefischt haben: Es ist ein bemerkenswerter Ort. Ein Meeresgrund aus feinem, festem Sand sorgt für einfaches Waten, es gibt kaum eine Stelle, die nicht erreichbar wäre, und man hat stets guten Abstand zu seinen Fischerfreunden. Der Tidenhub entscheidet hier über Erfolg und Niederlage. Wir hatten das Glück, dass für unseren Aufenthalt ernsthafte Springfluten vorhergesagt waren. Die Flut holt die Stachelmakrelen aus den vulkanischen Tiefen außerhalb des Atolls herauf und spült diesen Spitzenprädator dann heran.

Wenn unser Tiden-Timing nicht passte, fischten wir vom Boot aus. Weitaus besser und aufregender war es jedoch, watend den „push“ abzuwarten, den Moment, in dem die Flut ins Atoll strömte und die Fische mit sich brachte. An dem Morgen, an dem ich den „giant trevally“ das erste Mal sah, war ich zugegebenermaßen etwas eingeschüchtert. Diese Giganten der Tiefe machen keine Gefangenen. Sie reißen dein Angelzeug zu Klump, und so fühlte ich mich, als ich ihnen gegenüberstand, wie ein Gladiator in der Löwenarena. Es handelt sich immerhin um Fische, die Vögel aus dem Flug fangen, wie David Attenboroughs Filmaufnahmen in „Unser Blauer Planet II“ eindrucksvoll beweisen.

Was das Fischen auf die Dickkopf-Stachelmakrele noch aufregender macht, ist die Tatsache, dass man sich direkt mit einem einzelnen Fisch auseinandersetzt. Man beobachtet die Wellen, und dort, unter der Gischt, kann man oft eine einzelne Makrele entdecken, die die Welle sozusagen reitet. Oft begleiten diese Makrelen große Rochen oder Haie und fressen alle kleineren Beutetiere, die diese hochmachen. Ich lernte schnell, dass es Sinn machte, besonders die Rochen genau dahingehend zu beobachten, ob sie „voll“ waren oder „leer“, d. h., ob sie eine Makrele im Schlepptau hatten oder nicht.

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