The Scottish Gentleman Dog – der Golden Retriever
| Text: Angelika Glock |
Sein langes cremefarbenes bis dunkelgoldenes Fell, sein harmonischer Körperbau und vor allem das für ihn typische ausgeglichene, freundliche Wesen ziehen jeden Hundeliebhaber unwillkürlich in seinen Bann. Jäger besticht er besonders durch seine hohe Wasser- und Arbeitspassion, seine unübertroffene Bringfreude, einen ausgeprägten „will to please“ und den ihm eigenen konzentrierten, zuverlässigen Arbeitsstil – die Rede ist vom Golden Retriever.
Die Geschichte des Golden Retrievers
Der schöne und elegante Golden Retriever hat seine Wurzeln in Schottland. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts züchtete der jagdbegeisterte Adlige Sir Dudley Coutts Marjoribanks, der erste Lord Tweedmouth, auf seinem Landsitz „Guisachan House“ in der schottischen Grafschaft Inverness-shire die ersten Golden Retriever. Aus den von ihm sorgfältig geführten Zuchtbüchern, die erst im Jahre 1952 von Lord Tweedmouths Großneffen, dem Earl of Ilchester, entdeckt wurden, geht hervor, dass die Stammhunde der Rasse ein männlicher gelber Wavy Coated Retriever (der aufgrund rezessiver Vererbung einzige gelbe Welpe aus einem schwarzen Wurf) namens Nous und ein weiblicher Tweed Water Spaniel von heller Leberfarbe namens Belle waren. Tweed Water Spaniels sind heute ausgestorbene Wasserhunde, jedoch waren sie bereits zur damaligen Zeit außerhalb des Grenzgebietes zwischen England und Schottland sehr selten. Mit ihrem lockigen, leberfarbenen Fell ähnelten sie dem Irish Water Spaniel. Die Tweed Water Spaniels waren damals nicht nur für ihre Wasserleidenschaft bekannt, sondern auch für ihre ausdauernde Apportierfreude.
In dem Bemühen, einen brauchbaren, wasseraffinen Jagdhund für die Arbeit nach dem Schuss mit einem ansprechenden Äußeren zu züchten, verpaarte Lord Tweedmouth Nous und Belle im Jahre 1868. Diese Ver-paarung gilt als Beginn der gezielten Golden-Retriever-Zucht. In diesem ersten Wurf lagen vier gelbe Welpen: der Rüde „Crocus“ und die Hündinnen „Cowslip“, „Primrose“ und „Ada“. Der Rüde und eine Hündin wurden an Freunde bzw. Verwandte zur Zucht weitergegeben. „Cowslip“ und „Primrose“ behielt der Lord und züchtete mit ihnen zwischen 1868 und 1890 in sorgfältiger Linienzucht weiter.
Er kreuzte weitere Tweed Water Spaniels, schwarze Retriever und Labradore, rote Irish Setter und sandfarbene Bluthunde ein und schuf so den Grundstein für eine neue Rasse: den Golden Retriever. „Durch mehrere Generationen kluger Zucht“, schrieb ein bewundernder Historiker, „schuf Tweedmouth eine beständige Linie außergewöhnlicher Arbeitsretriever.“ Aus dieser Zucht entstand schließlich im Laufe der Zeit der Golden Retriever mit dem uns heute bekannten Erscheinungsbild.
1913 wurde die Rasse unter dem Namen Golden Retriever bzw. Yellow Retriever vom britischen Kennel Club als eigenständige Rasse anerkannt, ab 1920 verschwand dann die Bezeichnung Yellow Retriever. Noch im selben Jahr gründete sich in England unter der Leitung von Mrs Winifred Charlesworth der „Golden Retriever Club“. 1962 erfolgte die Eintragung des ersten Wurfes in Deutschland in das Sammelzuchtbuch des VDH.
Unterscheidung Arbeitslinie und Showlinie
Golden Retriever werden im Ursprungsland Großbritan-nien seit Jahrzehnten in zwei Schlägen gezüchtet, die sich deutlich unterscheiden und dort selten gekreuzt werden: Zum einen gibt es die jagdlich orientierten Arbeits- oder sogenannten Field-Trial-Linien und zum anderen die Ausstellungs- bzw. Showlinien. Auf dem Kontinent bemühen sich die Zuchtverbände um einen einheitlicheren Typ, den sogenannten „Dual Purpose Typ“ („dual“ = doppelt, „purpose“ = Zweck), der eine ausgewogene Mischung zwischen Arbeits- und Showlinie darstellt. Hunde aus reinen Arbeitslinien haben einen schlankeren und leichteren Körperbau, sind hochbeiniger und beweglicher und haben mehr Temperament als die kompakt gebauten Hunde aus den Showlinien. Ihr Kopf ist deutlich schmaler, die Schnauze länger, und ihre Fellfarbe variiert zwischen kräftigem Gold und Dunkelgold, während das Fell der Showlinienhunde heller (eher zwischen cremefarben und hellgold changierend) und zudem länger ist.
Jagen mit dem Golden Retriever
Die ursprünglich als Apportierhunde zur Jagd von Wassergeflügel gezüchteten Golden Retriever zeichnen sich vor allem durch ihre Weichmäuligkeit, die jegliches Stück unversehrt lässt, ihre große Wasserfreudigkeit, eine exzellente Bringfreude, einen schwachen Hetztrieb, ihre Steadiness bei gleichzeitig hoher Arbeitspassion, ihre hohe Intelligenz mit der natürlichen Anlage zu arbeiten und die ihnen eigene Leichtführigkeit aus. Neben ihrem Spezialgebiet, der Arbeit nach dem Schuss („to retrieve“ bedeutet „herbeibringen, auffinden“), eignen sich Golden Retriever ebenfalls zum Stöbern oder Buschieren und zur Nachsuche von Schalenwild. Spurlaut und Wildschärfe findet man rassetypisch bei ihnen jedoch nicht bzw. nur äußerst selten.
Golden Retriever sind perfekt in der Lage, sichtig beschossenes Flugwild (sogenannte markierte Fallstellen) sowie nicht sichtig gefallene Stücke (durch akustisches und optisches Einweisen) an Land und im Wasser sicher zu finden. Fährten von krankem Wild werden mit hohem Durchhaltevermögen verfolgt, das Gelände wird dabei systematisch abgesucht. Hoch konzentriert und mucksmäuschenstill (Bellen, Jaulen oder Winseln ist auch heute noch bei Prü-fungen ein Ausschlussgrund!) wartet der Golden Retriever, neben dem Hundeführer sitzend oder bei Fuß gehend, bei Streifjagden oder Standtreiben auf sein Einsatzkommando zum Apport. Seine Führigkeit und Arbeitspassion sind nahezu sprichwörtlich – und bei der Zucht wird darauf Wert gelegt, dass dies in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander ausgeprägt ist, d. h., mangelnde Passion gepaart mit überbetonter Führigkeit gilt ebenso als fehlerhaft wie überbetonte Passion gepaart mit mangelnder Führigkeit.
Zwei Vereine
Züchterisch betreut wird die Rasse in Deutschland heute von zwei Vereinen: zum einen von dem 1963 gegründeten Deutschen Retriever Club e. V. (DRC), der die Belange aller sechs Retrieverrassen (Golden Retriever, Labrador Retriever, Flat Coated Retriever, Chesapeake Retriever, Nova Scotia Duck Tolling Retriever und Curly Coated Retriever) vertritt und neben VDH und FCI auch Mitglied im JGHV ist – er ist der älteste und mit heute etwa 13 000 Mitgliedern auch der größte Retrieververein Deutschlands –, zum anderen von dem 1989 gegründeten Golden Retriever Club e. V. (GRC). Beide Vereine haben es sich zur Aufgabe gestellt, die jagd-lichen Eigenschaften und die Gebrauchsfähigkeit der Rasse zu erhalten, zu fördern und züchterisch zu pflegen.