Vela – Herrenausstatter für Individualisten

| Text: Bertram Graf von Quadt |

Kleider machen Leute, heißt es. Darum ist die morgendliche Auswahl vorm Kleiderschrank nicht ganz unwichtig. Man möchte ja nicht zu etwas werden, was man nicht sein will. HALALI-Autor Bertram Graf von Quadt berichtet über die Probleme beim Kleidungskauf und über eine mögliche Lösung.

Man mag mir eine gewisse Arroganz vorwerfen. Aber ich trage nicht gern, was andere mir „vortragen“. Sonst wäre ich ja „nachtragend“. Aus diesem Grund habe ich mich von Moden nie beeinflussen lassen. Ich besitze so gut wie keine T-Shirts, denn das sind Unterhemden und heißen so, weil man sie unter Hemden trägt – und ich trage Hemden lieber auf der Haut. Mein Kleiderschrank kennt auch keine Jeans, egal welcher Provenienz und Marke. All das macht mich zwar sehr individualistisch, bringt aber auch gewisse Probleme beim Kleiderkauf mit sich. Mal eben rasch in die Stadt und in den Laden – dieser einfache Weg steht mir nicht offen. Ich muss suchen, und das teils sehr lange. Doch eine segensreiche Zeitgeistströmung hat in den letzten Jahren einige Geschäfte entstehen lassen, die in Menschen wie mir willkommene Kunden sehen. Eines davon gibt es in München. Der Laden liegt nicht in den teuren Ecken wie dem Odeonsplatz, dem Luitpoldblock oder der Maximilianstraße, sondern dort, wo man einen ordentlichen Herrenausstatter nicht unbedingt vermuten würde: hinterm Maximilianeum, rechts der Isar, dort, wo Bogenhausen an Haidhausen grenzt, an der Einsteinstraße.

Flankiert von einem neapolitanischen und einem vietnamesischen Restaurant, vis-à-vis ein Kebabhaus, ein Metzger am Eck: Hier hat Maximilian Segl seinen Laden aufgemacht, hier firmiert er unter der italianisierten Marke Max Vela. Wer hier herkommt, betritt ein gemütlich-anheimelndes Durcheinander von guter Kleidung, zugehörigen Accessoires, ordentlichem Schuhwerk, Schirmen aus einer kleinen, aber berühmten Manufaktur in Mailand, Sportgeräten, Erinnerungsstücken. Ein paar Stiche an der Wand, eine Jagdtrophäe; ungefähr so, wie man sich die Räumlichkeiten eines eleganten Junggesellen vorstellt – und wie sie nur wenige in den Ehejahren gegen die Ordnungsliebe der göttlichen Gattin verteidigen können. Man fühlt sich augenblicklich wohl, bekommt einen Espresso gereicht, einen Drink. Man kauft bei Max Vela nicht ein.

Man geht dorthin, verlebt einige angenehme Momente und verlässt das Geschäft wieder, in dem Wissen, dass man in nicht allzu ferner Zukunft die bestellte Ware abholt. Denn von der Stange gibt es hier herzlich wenig. Vela arbeitet auf Maß.

„Ich bin aber kein Maßschneider. Das ist ein ehrbarer Handwerksberuf, den ich nicht gelernt habe, und darum würde ich mich nie so bezeichnen!“ Das ist dem Inhaber wichtig. „Wir sind – oder wir wollen es sein – der ‚go-to place‘ für den Mann. Und zwar für den, der weiß, was er braucht. Aber genauso auch für den, der am Samstag nichts zu tun hat, einfach auf einen Kaffee oder einen Drink vorbeikommt, und dann entstehen womöglich auch Bedürfnisse und Wünsche, die vorher gar nicht so greifbar vorhanden waren.“ Im Regal neben den Parfums stehen ein paar Flaschen Negroni herum, und neben der Espressomaschine einige Weingläser. Der Inhalt dazu ist nicht weit weg.

Maximilian Segl kommt eigentlich aus einer Münchner Bäckerdynastie, aber die hat sein Onkel weitergeführt. Er hatte sich schon früh auf die Textilbranche verlegt, hatte schon als Jugendlicher dort gejobbt. Nach einem soliden Studium mit Abschluss ist er dann voll in die Branche eingestiegen und war für mehrere große Labels tätig. Das Maßnehmen hat er von der Pike auf gelernt, ebenso, was gute Stoffe sind, was gute Schnitte. Vor allem aber weiß er, welche Betriebe in der Qualität fertigen, die er auch selbst tragen würde. Dort schickt er seine Aufträge hin – durchweg in Europa. Der Erfolg gibt ihm recht. 2016 hatte er in einer kleinen Werkstatt begonnen, kurz vor der Coronakrise war er dann in das heutige Geschäft umgezogen. Trotz dieser grauen Zeit, in der kaum jemand vor die Tür durfte oder wollte, läuft der Laden gut: „Ich hätte damals auch meinetwegen in die Innenstadt gehen können. Doch dann hätte ich sofort Personal gebraucht. Hier konnte ich das allein stemmen, aber inzwischen haben wir so viel Laufkundschaft, wie wir sie gerade noch bewältigen können.“ Wir: Maximilian Segl hat sich mit einem jungen Schuhmacher zusammengetan, den langjährige HALALI-Leser kennen: Fabian Zug (siehe HALALI 02/2013). Kennengelernt haben sie sich auf dem, was herkömmlich als „Markt“ bezeichnet wird und sich heutzutage „Trunk Show“ nennt. Sie haben beide den gleichen Blick für Qualität, beide das Wissen um gutes Handwerk. Und sie teilen den Geschmack: bayrische Bodenständigkeit, britische Eleganz, italienische Leichtigkeit. „Anglo-Bavarian mit italienischem Einschlag“, sagt Maximilian Segl dazu.

Man sieht das an der Ware: Sie kommt nicht mit der steifen Eleganz eines Anzugs aus der Londoner Savile Row daher, ebenso wenig mit bayrischer Krachledernheit oder italienischem Machismo. Was hier im Laden steht, was hier angeboten und gemacht wird, das vereint die positiven Dinge dieser drei Stilwelten. Das Tuch fällt weicher als britischer Tweed, das Jackett ist handsamer als eine raulodene Joppe, ist besser verarbeitet als ein Stück, das man sich in Venedig für einen Frühsommer kauft. „Wer diesen Geschmack mit uns teilt, der ist hier herzlich willkommen. Aber wer eine Mao-Jacke aus indischer Seide will, ebenso.“

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