Vorstehen trainieren
| Text: Tanja Dautzenberg |
Grundsätzlich ist Jagdhunden die Fähigkeit zum Vorstehen angewölft und vorrangig bei den Vorstehhunderassen durch Zuchtauslese verstärkt worden. Um diese Vorstehanlagen zu überprüfen, zu fördern und zu festigen, sollte bereits im Welpenalter mit dem Training begonnen werden. Jagdhundetrainerin Tanja Dautzenberg gibt Tipps.
Die Jagd mit dem Hund auf Fasan oder gar Rebhuhn hat einen ganz besonderen Reiz. Das Zusammenspiel zwischen Vorstehhund und Jäger, ein aus vollem Galopp heraus mit höchster Körperspannung stehender Hund und das anschließende gemeinsame Beutemachen sind Erlebnisse, die das Herz jeder Jagdhundeführerin und jedes Jagdhundeführers höherschlagen lassen. Bis alles in Perfektion gelingt und aus Hund und Mensch ein eingespieltes Team geworden ist, braucht es etwas Übung und gezieltes Training.
Was bedeutet Vorstehen?
Vorstehen ist das eindeutige Anzeigen des Hundes von sich drückendem Wild. Dabei ortet der Hund das Wild über dessen Witterung, verharrt dabei in der Suche nahezu schlagartig und starrt regungslos auf den Geruchspool. Der Jäger hat dann die Möglichkeit, zum Hund aufzuschließen und anschließend das Wild hochzumachen, um es erfolgreich erlegen zu können. Ursprünglich sollte der Vorstehhund ausschließlich Federwild durch Vorstehen anzeigen und Haarwild ignorieren. Das Anzeigen von z. B. Hasen in der Sasse ist allerdings bei unseren Allround-Vorstehhunden toleriert oder sogar erwünscht.
Grundsätzlich kann jeder Hund vorstehen, denn jeder Hund zeigt ein mehr oder weniger ausgeprägtes Jagdverhalten. Nach Coppinger und Coppinger (2001) besteht das Jagdverhalten des Hundes aus folgenden Sequenzen: Anpirschen – Orten – Fixieren – Hetzen – Packen – Töten – Zerreißen – Fressen.
Je nach Rasse sind dabei aufgrund züchterischer Selektion einzelne Sequenzen mehr oder weniger stark ausgeprägt. Zerreißen und Fressen sind in der Regel abgekoppelt, und auch Packen und Töten sind bei vielen Haushunderassen nicht mehr in der notwendigen Intensität vorhanden. Bei den Vorstehhunden wurde im Rahmen der züchterischen Selektion das Fixieren besonders stark ausgeprägt. Vorstehen ist also ein genetisch veranlagtes Verhalten, das heranreift und gezielt gefördert werden muss. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten im Rahmen der Ausbildung und der jagdlichen Praxis.
Die Reizangel
Die Reizangel kommt nicht aus der Mode, obwohl deren Einsatz mittlerweile auch kontrovers diskutiert wird, da das Vorstehen auf Sicht nicht das erklärte Trainingsziel ist. Um das Verhalten bei Welpen und Junghunden zu fördern und spätere Abläufe und Kommandos zu ritualisieren, eignet sich die Reizangel aber nach wie vor hervorragend. Das Reizangeltraining ersetzt allerdings nicht die strukturierte Einarbeitung an echtem Wild mit der dementsprechenden Witterung.
Als Reizangel eignen sich besonders gut leichte Longiergerten aus dem Reitbedarf. An deren Ende kann eine Fasanenschwinge gebunden werden oder ein leichter, mit Federn umwickelter Dummy. Es eignet sich aber auch jedes beliebige für den Hund interessante Beuteobjekt. Damit der Hund beginnt zu stehen, muss der Gegenstand immer wieder in eine reglose Phase gebracht werden, sodass sich der Hund anpirschen und ihn wie gewünscht fixieren kann. Lange Hetzsequenzen sind, wenn möglich, zu vermeiden. So einfach es klingt, ist es allerdings nicht unbedingt. Bis der Hund das erwünschte Verhalten zeigt, müssen mitunter einige schnelle Haken geschlagen werden, damit er den Gegenstand nicht zu packen bekommt. Hier sind gute Reak-tionsfähigkeit und gekonntes Handling gefragt. Hält der Hund nun kurz inne und zeigt ansatzweise das erwünschte Verhalten, können Sie loben und ihn im Anschluss gestatten, einzuspringen und die Beute zu packen. Im weiteren Trainingsverlauf fordern Sie ein immer längeres Stehen des Hundes, indem Sie die Angel wieder wegziehen, falls er zu früh einspringen sollte. Sobald der Hund ein paar Sekunden innehält, können Sie lobend eine Art Kommando einführen, wie etwa „Prima! Steh!“, und ihm dann, bevor er selbstständig einspringt, verbal und körpersprachlich eine Aufforderung zum Packen der Beute geben. Sobald Ihr Hund einige Sekunden vorsteht, können Sie auch das Herantreten an den Hund üben und den Beutezugriff erst gestatten, wenn Sie neben ihm stehen. Auch das wird im Verlauf des Trainings weiter ausgebaut, indem Sie länger stehen bleiben und den Hund am Halsband oder an einem Kurzführer sichern und ihn so am Einspringen hindern, während Sie das Beuteobjekt blitzartig wegziehen. Lassen Sie Ihren Hund jetzt sitzen oder liegen, und belohnen Sie ihn extern mit Futter. Wahlweise können Sie ihn auch zum Apportieren des Reizangelobjektes schicken. Neben der ritualisierten Einübung des Vorstehprozesses eignet sich die Arbeit mit der Reizangel auch gut für Übungen zur Impulskontrolle und zur Festigung eines Abbruchsignals aus der Hetze heraus.
Die Wachtel
Wachteln verschiedener Arten lassen sich sehr gut als Haustiere halten und werden daher gerne für das Vorstehtraining herangezogen. Diese Wachteln sind in der Regel nur mäßig flugfähig und ohnehin nicht auswilderbar. Für das Training wird der Vogel daher, um nicht entwischen zu können, in einen kleinen Käfig gesetzt und mit Laub oder Gras verblendet. Gegen den Wind quer laufend, steuern Sie nun mit Ihrem Hund die Wachtel an. Die mangelnde Mobilität des Vogels ist nun aber auch zugleich das Problem beim Vorstehtraining. Der an Flugwild unerfahrene Hund, dessen Talent zum Vorstehen noch nicht ausgebaut wurde, kann dazu neigen, schnurstracks auf den Käfig zuzulaufen, sobald er die Witterung der Wachtel in die Nase bekommt. Ihm fehlt die Erfahrung, dass der Vogel im Falle eines ungebremsten Anlaufens einfach wegfliegt. Um zu vermeiden, dass der Hund an den Käfig gerät und dort durch das Auffinden der Wachtel noch belohnt wird, muss er an einer langen Leine gesichert und am direkten Herantreten an den Vogel gehindert werden. Nun gibt es Hunde, die sehr gut über ein zuvor eingearbeitetes Steh-Signal an der Leine zum Vorstehen gebracht werden können, sobald zu erkennen ist, dass sie Witterung von der Wachtel in die Nase bekommen haben. In diesem Fall gehen Sie bis an den Hund heran, belohnen ihn extern und sammeln die Wachtel im Käfig selbst ein. Auf diese Art machen Sie gemeinsam mit Ihrem Hund Beute. Viele Hunde reagieren allerdings mit großem Frust, wenn sie über die Leine gehindert werden, die Quelle der interessanten Witterung anzusteuern. Sie springen in die Leine, bellen, winseln oder verlieren ganz einfach das Interesse. Solche Hunde brauchen mehr Zeit und vor allem flugfähige Vögel, um das Vorstehen als sinnvolle Verhaltens-option zu realisieren.