Wachgeküsst

| Text: Wolfgang von Brauchitsch |

HALALI-Autor Wolfgang von Brauchitsch hat in London die Waffenschmiede William Moore & Grey Gunmakers besucht, die zu den traditionsreichsten in England zählt.

Wenn Liebhaber feiner Flinten von der „Holy Trinity“, der Heiligen Dreifaltigkeit, sprechen, dann hat das in der Regel keinen religiösen Hintergrund. Die Rede ist vielmehr vom Dreigestirn der feinen englischen Büchsenmacherkunst: Holland & Holland, James Purdey & Sons und Boss & Co. Alle drei blicken auf eine glanzvolle Vergangenheit zurück und haben es geschafft, sich trotz aller Widrigkeiten bis heute in dem immer schwierigeren Markt der klassischen Jagdwaffen zu behaupten.

Schaut man zurück auf die Geschichte, stellt man fest, wie hoch die Zahl der englischen Flintenhersteller in den beiden letzten Jahrhunderten war und dass ursprünglich nicht nur drei, sondern fünf Firmen das Rückgrat der englischen Flintenbaukunst bildeten.

Joseph Manton – der Übervater

Der beste und bedeutendste englische Büchsenmacher seiner Zeit war Joseph Manton (1766–1835). Die von ihm gebauten Waffen gehören heute zu den am meisten gefragten aus der Steinschloss-Ära und erzielen auf Auktionen nicht selten bessere Preise als zum Beispiel Holland & Holland Flinten. Zu seinen Mitarbeitern gehörten unter anderem James Purdey (der Gründer von Purdey), Thomas Boss, William Greener, Charles Lancaster und William Moore. Alle fünf gründeten später eigene bedeutende Waffenfirmen. Nicht zuletzt deshalb wird Manton als der Vater der britischen Flintenbaukunst bezeichnet. Keiner war so innovativ und erfinderisch wie er, und kein anderer Hersteller hat jemals eine derart marktbeherrschende Stellung erreicht. Erst in den späten Jahren des 19. Jahrhunderts konnte Purdey eine vergleichbare Spitzenstellung unter den besten Londoner Büchsenmachern einnehmen. James Purdey war es auch, der einmal sagte: „Ohne Joseph Manton wären wir alle nur ganz gewöhnliche Schmiede geblieben.“

Nicht zuletzt wegen eines Streits mit der Armee, die zu seinen größten und wichtigsten Kunden zählte, geriet Manton in finanzielle Schwierigkeiten. 1826 musste er Bankrott anmelden und saß nach einem vergeblichen Versuch, sein Geschäft wieder neu aufzubauen, zwischen 1828 und 1829 sogar im Gefängnis.

Der Niedergang Joseph Mantons hatte aber auch mit der technischen Entwicklung der Feuerwaffen zu tun. Es war die Zeit des Übergangs der Steinschloss- zur Perkussionszündung. Da die Perkussionssysteme wesentlich einfacher herzustellen waren, konnten sie auch vermehrt von weniger begabten Büchsenmachern gebaut werden. Das Steinschloss wurde zunehmend zurückgedrängt, und der Konkurrenzdruck stieg.

William Moore & Grey

William Moore hatte bei Manton ursprünglich als Schäfter gearbeitet. Er war damit für einen der schwierigsten Teile der Flinte verantwortlich. Und das unter den Augen des berühmtesten Büchsenmachers seiner Zeit. Es ist daher wenig überraschend, dass Moore nach dem Schritt in die Selbstständigkeit um 1808 sehr schnell einen ausgezeichneten Ruf erlangte. Auch sein späterer Partner William Parker Grey hatte ursprünglich als Büroangestellter und Manager in der Firma von Joseph Manton gearbeitet.

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