Warum Christian Bergenthal Wildbret streichelt

| Text: Gabriele Metz |

Ein Fleischsommelier? So etwas gibt es? Aber sicher! Und was für einen! Wer Christian Bergenthal bei der Zubereitung seiner köstlichen Wildbret-Kreationen beobachtet, dem läuft unweigerlich das Wasser im Mund zusammen. Wir besuchten den Mann, der auch mittlerweile leidenschaftlicher Jäger ist, in seiner Outdoor-Küche im Berliner Stadtteil Zehlendorf. „Grillen macht mich glücklich“, sagt er. Und genau das strahlt er auch aus.

Mein Weg führt durch eine Schatten spendende Lindenallee. Sanftes Sonnenlicht fällt auf das schöne Haus aus der Zeit der Jahrhundertwende, dessen herrlicher Garten die Nähe des turbulenten Großstadtzentrums vergessen lässt. Ich befinde mich in Zehlendorf, im Südwesten Berlins, und bin auf kulinarischer Entdeckungstour. Gleich treffe ich einen Fleischsommelier, dessen Herz seit Neuestem auch für die Jagd schlägt. Seit April dieses Jahres nennt Christian Bergenthal den Jagdschein sein Eigen. Heute will er seinen ersten selbst erlegten Rehbock zubereiten, und ich darf ihn verköstigen. Und da ist er ja auch schon. Der 32-Jährige öffnet das Tor und führt mich gleich in den hinteren Bereich des gepflegten Gartens. „Das hier ist mein Elternhaus, in dem meine Eltern auch heute noch leben“, erklärt der Vater zweier kleiner Kinder. Er selbst wohnt mit Frau und Kids nicht weit entfernt im benachbarten Stadtteil Wilmersdorf. Im elterlichen Garten hat Christian im vergangenen Jahr eine voll ausgestattete Outdoor-Küche gebaut und eingerichtet.

Highlight: der Feuerplattengrill

Und was für eine Outdoor-Küche! Mein Blick fällt auf einen 160 Kilogramm schweren Keramikgrill. „Ein toller Allrounder. Mit ihm kann ich grillen, smoken, Pizza zubereiten, räuchern und vieles mehr“, schwärmt Christian. Es gibt einen weiteren Keramik- und auch einen Gasgrill in dieser Küche, die eine hölzerne Überdachung aus Lärchenholz vor launischem Wetter schützt. Doch sein aktueller Liebling ist von anderer Machart: ein Feuerplattengrill. Der zieht als Solitär auf der Rasenfläche die ganze Aufmerksamkeit auf sich und lädt regelrecht dazu ein, sich mit einem erfrischenden Drink in den Händen um ihn zu scharen und ins Plaudern zu geraten. Der Feuerplattengrill besteht aus einem massiven Sockel, auf dem sich eine Halbkugel erhebt, in deren Inneren sich ein Kohlerost verbirgt. Darauf legt Christian nun die Holzscheite, die er direkt von einem befreundeten Förster aus dem Berliner Grunewald bezieht. „Ich möchte den Rehrücken heute auf der Feuerplatte zubereiten. Die unterschiedlichen Hitzezonen ermöglichen eine sehr gezielte Garung“, kündigt er an, während er den Edelstahl-Grillkamm aufsetzt. Der lässt Fett und Fleischsaft abfließen und verhindert zudem, dass Grillgut ins Feuer fällt. Doch so behutsam, wie der Fleischsommelier mit seinen Produkten umgeht, droht diese Gefahr ohnehin nicht. Zumal heute auch noch das erste selbst zur Strecke gebrachte Stück Wild zu Ehren kommt.

Leben für die Leidenschaft

Weshalb er relativ spät zur Jagd kam? „In meiner Familie gibt es keinen jagdlichen Hintergrund. Ich bin als reines Stadtkind, jedoch mit einer auf zahlreichen Urlauben in den Alpen gelebten Naturverbundenheit aufgewachsen. So führte mein Weg zum Jagdschein über Umwege“, erzählt der studierte Volkswirt. Er habe jedoch schon immer den Geschmack von Wild und dessen vielfältige Zubereitungsmöglichkeiten wertgeschätzt. Die Zeit als Werkstudent bei einem großen Grillhersteller, bei dem der Berliner unter anderem gemeinsam mit einem Koch selbst Grillkurse leitete, trug ebenfalls zu seinem heutigen Lifestyle bei. Fleisch und dessen Zubereitung faszinieren Christian seit damals so sehr, dass er beschloss, sich vom klassischen Werdegang des VWLers zu verabschieden und sich voll und ganz seiner kulinarischen Leidenschaft zu widmen. Dies setzte er mit der Gründung des Grill- und BBQ-Blogs „Berg & Beef“ im Sommer 2016 in die Tat um.

Immer neugierig

„Seitdem habe ich mich immer wieder fortgebildet, habe eng mit Fleischermeistern und Metzgern kooperiert und vorbildliche Züchter besucht, denn solche gibt es durchaus hier in Deutschland. Ich wollte alles lernen, alles wissen …“, berichtet Christian, dessen Weg schließlich zur Fleischerschule nach Augsburg führte, wo er erfolgreich die Ausbildung zum Fleischsommelier abschloss. Zwei Wochen dauert diese Ausbildung, die traditionell Menschen vom Fach – also beispielsweise Metzger und Fleischer – anspricht. Inzwischen erweitert sich die Zielgruppe jedoch zunehmend. „Ich traf dort auch auf Wildexperten, Schäfer und Züchter. Eine interessante Mischung“, erinnert sich Christian, der zu diesem Zeitpunkt bereits mit seinen Grillfotos und Rezeptvideos über die verschiedenen Kanäle von „Berg & Beef“ in den sozialen Medien Erfolge feierte. Als sich der Leiter der Fleischerschule auch noch als begeisterter Leser des Blogs und enthusiastischer Grillkollege outete, wusste sich der Foodblogger auf dem richtigen Weg. Austausch ist ihm nach wie vor wichtig. So hält er in einer Social-Media-Gruppe Kontakt mit über 100 Metzgern sowie Fleischsommelier-Kollegen, und auch die Kontakte zu Jägern gedeihen. Es ist die Liebe zur gemeinsamen Sache, der Wunsch, das Handwerk voranzubringen, was den Fleischsommelier antreibt.

Passion Jagd

Seitdem er den Jagdschein hat, lebt Christian seine neue Passion auch aus. „Für mich ist die Jagd kein Hobby, sondern Verantwortung“, betont er. Die Verarbeitung des selbst erlegten Wilds zelebriert Christian nahezu. Die respektvolle Behandlung des Wildbrets ist für den Fleischsommelier ein inneres Bedürfnis. „Man sollte sich bewusst machen, dass hier ein Leben gegangen ist“, mahnt der Jäger. Die vollständige Verwertung des erlegten Stücks ist für ihn dabei ein zentrales Anliegen. Und hierbei entfaltet er eine enorme Kreativität. „Die Schlegel vom Rehwild sind besonders vielseitig verwertbar. Nach dem kompletten Zerwirken der Keule in Nuss, Ober- und Unterschale sowie Hüfte und Rolle lassen sich die einzelnen Muskelpartien neben der Zubereitung als Braten oder Schmorgericht auch ideal kurz gebraten oder gegrillt als Steaks zubereiten“, versichert Christian, der sich mit seinem präzisen Blick auch gerne an den Sehnen entlangarbeitet, um neue kulinarische Erlebnisse zu entdecken. „Ich bin gerne mutig und probiere einfach etwas aus. Stellt sich nach kurzem Anbraten nicht der erhoffte Erfolg ein, kann man immer noch Flüssigkeit hinzugeben und alles schmoren“, lacht der Food & Beverage Social Media-Berater. Beim Rehrücken lässt Christian besonders viel Fingerspitzengefühl walten. Die zarte Textur ist den wenig beanspruchten Muskeln zu verdanken. Obwohl auch eine Zubereitung am Knochen denkbar wäre, löst der Fleischsommelier den Rücken seines ersten selbst erlegten Stücks aus und verwendet die Knochen zum Kochen von Wildfond. Alles, was sich an Wildbret nicht zur direkten Zubereitung eignet oder zu sehnig ist, geht durch den Fleischwolf und ergibt ein hochwertiges Hack. Und über die Vorder- und Hinterläufe des Rehs freut sich der Vierbeiner einer befreundeten Hundehalterin.

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