Weit, wild, wunderbar – Faszination Südafrika

| Text: Nicolette Bredenhöller |

Das Herz wird weit in Afrika. Das Land nimmt gefangen mit seiner Weite, seinem Licht, seinen Farben – und einer faszinierenden Tierwelt. Mit einer Reise ins Zululand zum Plains Game Hunting ist ein lang gehegter Traum wahr geworden. Wer das Land mit allen Sinnen gespürt hat, versteht den Satz: Wer einmal in Afrika war, kommt immer wieder.

Wann fangen Träume an …? Mein Traum von Afrika begann mit Bildern, schon früh während der Schulzeit. Afrika – wild, fremdartig, ursprünglich. Fasziniert habe ich vor unzähligen Tierfilmen gesessen, die es in herausragender Qualität gab, ohne jede Effekthascherei, als die Filmer Antilopen, Löwen, Nashörner, das Reich der Tiere in Szene setzten und nicht sich selbst. Wie gerne hätte ich mit in so einem Versteck gesessen, an einem Wasserloch stundenlang ausgeharrt, um die eine besondere Sze-ne zu erleben. Hautnah, authentisch, unverfälscht. Glühend habe ich eine Mitschülerin beneidet, deren Vater ebensolche Filme drehte. Ich habe mir später davon in Interviews erzählen lassen und war begeistert.

Afrika – einmal dieses Land sehen. Das war mein Traum, zeitweise in Vergessenheit geraten, aber nie wirklich weg. Ein Traum, den ich jetzt leben wollte.

Einfach machen, nicht länger warten. Vor anderthalb Jahren habe ich kurz entschlossen gebucht. Die Zeit bis zur Abreise schien in weiter Ferne zu liegen. Ein Jahr noch, sechs Monate, und auf einmal ging alles unfassbar schnell. Auf den letzten Drücker habe ich noch Schuhe für die Pirsch erstanden. Mit meinen Bergstiefeln wäre ich eher der Elefant im Unterholz gewesen.

Einen ersten Blick auf Südafrika erhasche ich aus einer kleinen Turboprop-Maschine. Unter mir tun sich während des anderthalbstündigen Verbindungsflugs ab Johannesburg die Hügel von Zululand auf. Rotbraun staubig und grün bewaldet. Die Landepiste in Pongola ist kaum mehr als eine kleine Landstraße. Ein safarigrüner Jeep mit rotem Afrika-Emblem wartet bereits: Mark Dedekind Safaris. Mein Abenteuer kann beginnen. Die kurze Fahrt zur Lodge zeigt: Landwirtschaftliche Nutzung prägt die Ebene. Zuckerrohr-, Macadamia- und Grapefruit-Plantagen. Dann werden die Menschen weniger, die in Gruppen am Straßenrand hocken und auf den Taxibus warten. Eine Schotterpiste führt rechts ab zur Mahlalela-Lodge, inmitten eines 15 000 Hektar umfassenden Reviers.

Mahlalela – Zuflucht. Ein Ort wie ein Paradies. Palmen wogen über dem mit schilfartigem Gras gedeckten Haupthaus. Ein kleiner Bungalow ist mein Rückzugsort. Im Garten blühen Agaven in den unterschiedlichsten Farben: kleine rote Rispen, lange Schwanenhälse, dazwischen leuchtende Paradiesvogelblumen. Die Rasenfläche geht optisch ins Gelände über. Kein Zaun trennt die Lodge von der Natur, der Busch beginnt hinter der Mauer, die den höher liegenden Garten abfängt. Die Bank gegenüber dem Wasserloch wird in den Mittagsstunden mein Lieblingsplatz. Täglich finden sich hier Tiere ein, die Wasser schöpfen wollen. Es gibt zu viel zu sehen, um zu ruhen. Schlafen kann ich zu Hause wieder. Mahlalela, der Name klingt wie eine sanft-rhythmische Musik. Eine schönere Zuflucht kann ich mir kaum vorstellen.

Afrika nimmt gefangen, die Zeit wird eine andere. Uhrzeiten, Kalendertage lösen sich auf. Dass Handy, Mail und Internet nicht funktionieren, trägt sicherlich dazu bei. Ich bin auf einen Schlag abgeschnitten von Alltag und Pflichten. Die Wahrnehmungen sind so intensiv, die Eindrücke so vielfältig, dass sie nicht in den üblichen 24-Stunden-Takt zu passen scheinen. Binnen kürzester Zeit wähne ich mich schon eine Ewigkeit in Zululand, wie trefflich, wird doch das Wort Zulu als „Himmel“ interpretiert. Mit offenem Herzen lasse ich mich auf die grünen Hügel Afrikas ein. Hemingways Buchtitel scheint mir passend, auch wenn seine Hügel in Tansania lagen. Meine liegen hier. Ihn wie mich lockte die Jagd auf einen Kudu-Bullen, diesen grauen Geist mit seinen imposanten Drehhörnern. Diesen zu Hause am Schreibtisch ersonnenen Plan habe ich vor Ort beerdigt oder zumindest zurückgestellt. Mich reizte unerwartet etwas anderes.

Die erste Ausfahrt ins Revier, nach dem obligatorischen Kontrollschuss mit der Waffe, lässt erahnen, was mich erwartet. Rumpelnd geht es auf steinigen Pisten stetig bergan. Ich sitze hinten auf dem offenen Pick-up, sauge die Eindrücke in mich auf. Giraffen säumen den Weg, betrachten mit einem Ausdruck von Arroganz von oben herab die Besucher, die im Auto keine Gefahr für sie darstellen. Dann öffnet sich unvermittelt am Faber Berg ein Hochplateau, in goldenes Abendlicht getaucht. Schemenhaft werden im wogenden Gras im Gegenlicht der untergehenden Sonne Breitmaulnashörner sichtbar. Imposante Kolosse, der Urzeit entsprungen. Was für ein Anblick!

Zehn Tage lang werde ich täglich in diese Welt eintauchen, schauen, staunen und jagen. Ausschließlich Antilopen und nur wirklich alte Non-Trophy-Stücke. Ich will zu Fuß, auf der Pirsch versuchen, mich dicht genug dem Wild zu nähern. „The perfect shot“, für mich Ziel und Verpflichtung, und über Wochen war das gleichnamige Buch von Kevin Robertson meine Bettlek-türe. Für mich selbst überraschend: Ich bin begeistert von den Gnus, den Kuhantilopen mit ihrem urtümlichen Aussehen. „The poor man’s buffalo“ lässt mein Herz schneller schlagen. Jagdfieber packt mich. Mein Personal Hunter Alex und Tracker Thabane, die mich an allen Tagen begleiten, grin-sen vielsagend. Während Alex überaus redselig ist, weist uns Thabane fast stumm mit einem Kopfnicken oder einem Fingerzeig den Weg. Ich kann seine Bewegungen hinter meinem Rücken spüren, seine stille Art gibt mir Sicherheit.

Mein erstes erlegtes Wild ist indes kein Gnu, sondern ein Nyala. Sie gelten als die schönsten Antilopen Afrikas. Auf der Pirsch zu einer Gnu-Herde, die wir entlang eines Bachlaufs umschlagen wollen, tritt ein alter Nyala-Bulle aus. Alex und Thabane werfen sich einen Blick zu, flüstern kaum hörbar: „Good“ Das schiefergraue Tier mit der markanten weißen Gesichtszeichnung verharrt regungslos. Zeit, den Zielstock komplett aufzubauen, bleibt nicht, aber alles passt, und ich lasse fliegen. Wenig später knie ich neben dem Stück, berühre bewegt die weiße Rückenmähne. Die gerundeten Horn-enden zeugen von vielen ausgefochtenen Kämpfen. Freude bricht sich Bahn. Alex malt mir Schweiß auf Stirn und Wangen. Ein symbolischer Akt für das erste erlegte afrikanische Wild. Ich trage das Zeichen stolz bis in den Abend. „Das muss dranbleiben“, verkündet einer meiner beiden Mitjäger. Ich bin nachträglich zu den beiden dazugestoßen, und es ist eine große Freude, Erlebtes und Erfolge miteinander zu teilen, sich füreinander zu freuen und manches Glas Gin und Rotwein miteinander zu genießen – nicht immer als Sundowner.

Bei der Nachmittagspirsch am zweiten Jagdtag steuern wir das Hochplateau auf Fabers Berg an, auf dem ich am ersten Tag die Rhinos gesehen habe. Hoch im Hang neben einer Akazie stehen Gnus, sie zu erreichen könnte nur durch den Aufstieg durch eine im Schatten liegende Rinne gelingen, den Berg komplett hinauf, um die Herde von oben anzugehen. Der Wind steht ungünstig. Bevor wir einen solchen Marsch starten, schlägt Thabane vor, einen Seitenarm des Hochtals zu kontrollieren. Und richtig: Auch hier steht eine Gnu-Herde. Der Bulle ist alt, sein Körper mächtig, das Gehörn borkig wie die Rinde eines Baums und weit ausladend. Wir beschließen, die Herde anzugehen, nutzen jede Senke, jeden Ast als Deckung. Hinter einem abgestorbenen Baum gehe ich schließlich in Position und mache langsam die Waffe bereit. Der Bulle hat sich zwischenzeitlich niedergetan, jetzt heißt es abwarten und Ruhe bewahren. Mein Pulsschlag trommelt in den Ohren, jede Faser des Körpers ist angespannt. Die Kühe werden unruhig, sie haben uns eräugt und wollen nach links abspringen, der Bulle kommt auf die Läufe und steht für den Bruchteil einer Sekunde breit, als ihn mein Schuss aufs Blatt trifft. Nach einer kurzen Todesflucht bricht der mächtige Bulle zusammen.

Meine Hände flattern, ich gehe in die Knie, Tränen schießen mir in die Augen. Jagdfieber. Jagdfreude. Passion. Emotion. Diese Momente sind so schwer in Worte zu fassen. Ich wache noch lange allein neben dem Bullen, erweise ihm die letzte Ehre, bis die Sonne hinter dem Bergrücken versinkt.

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