Wildbretvermarktung 2.0
| Text: Bastian Fuhrmann |
Den Unternehmer Stefan Göring aus dem bayerischen Garmisch-Partenkirchen kennen HALALI-Leser sicher schon aus der Ausgabe 03-2023. Wir wollten mehr über seinen IFS-zertifizierten Wildhandel wissen und trafen ihn zum Gespräch.
Wenn es nach Stefan Göring von Heimat Wild aus Garmisch-Partenkirchen in Bayern geht, soll ganz Deutschland unkompliziert und ohne großen Aufwand betreiben zu müssen, in den Genuss von regionalem Wildbret kommen. Sein Konzept bietet Jägern und Staatsforsten die Möglichkeit, sogenannte Einheiten aufzustellen, die einen regionalen Handel mit Wildfleisch erleichtern sollen. Das finden wir großartig. Unsere wichtigsten Fragen beantwortete er so:
Wie kamen Sie auf die Idee, Wildbret als hochwertiges Genussmittel in der Öffentlichkeit mehr bekannt zu machen?
Ich finde, Wildbret ist eines der edelsten, gesündesten und ökologischsten Lebensmittel, die wir zu uns nehmen können. Vor dem Hintergrund infolge des Klimawandels einzusparender Ressourcen übersehen wir ganz, dass die guten Dinge oft so nah liegen. Wir haben all die Dinge schlichtweg aus dem Gedächtnis verloren: den Umgang mit Wildfleisch oder auch traditionelles Handwerk. Vielleicht aufgrund des schnellen Wachstums, der Industrialisierung, sicher aber auch aus Bequemlichkeit. Ich finde, eine Renaissance muss her.
Renaissance? Was meinen Sie damit?
Es ist doch so: Wir haben nicht nur verlernt, unsere natürlichen Ressourcen vernünftig zu nutzen, wir haben auch die Verteilung der Wertschöpfung in vielen Bereichen aus den Augen verloren. Beim Wildbret ist es oftmals so, dass die meisten Jäger, nachdem sie ihre eigene Kühltruhe gefüllt haben, anschließend nicht mehr wissen, wohin damit. Es liegt dann mitunter manchmal jahrelang in frostiger Tiefe. Dann wiederum müssen Sie manchmal fast betteln, dass, im besten Fall, ein Metzger aus der Nähe Ihr Wildbret nimmt und verarbeitet. Oder Sie müssen es stückweise an einen Wildbrethändler liefern, für den diese kleinen Mengen fast schon eine Last sind. Hinzu kommt dann noch, dass das Wild manchmal auch noch schlecht beschossen wurde. Es gibt viele Argumente, um den Preis des Wildbrets zu drücken. Verstehen Sie mich nicht falsch: Jagen ist nicht nur Hobby, es ist auch Arbeit und dient unseren Kulturlandschaften, von denen in Deutschland rund 84 Millionen Menschen profitieren. Ergo finde ich, die Wertschöpfung aus der natürlichen Ressource von heimischem Wild sollte auf uns waidgerechte Jäger übertragen werden. Der Jäger bzw. der Jagdpächter muss für sein Wildbret am Ende einfach mehr Geld bekommen.
Woher beziehen Sie Ihr Wildbret bis dato?
Unser Wild kommt bislang aus um-liegenden Revieren Österreichs und Bayerns rund um unseren Standort. Von benachbarten Jägern, die es leid waren, um die Wildbretabnahme zu betteln, sowie von den Österreichischen Bundesforsten und den Bayerischen Staatsforsten. In Farchant haben wir gerade Anfang des Jahres unsere zweite EU-zertifizierte Wildzerlegungs- und Veredelungseinheit in Betrieb genommen. Und diese Einheiten wollen wir nun zu den Jägern in ganz Deutschland bringen.
Aber was macht Heimat Wild genau anders als andere Wildbretanbieter?
Wir garantieren, dass ausschließlich Wild aus der umliegenden Region angeboten wird, soweit natürlich vorhanden. Dabei können wir alles belegen: wann das Tier erlegt wurde, wo und von wem, denn diese Begleitpapiere erstellt jeder Jäger für seine Streckenliste inklusive der kundigen Person. Bei uns bekommen Sie das, was auf der Verpackung steht. Früher hat man sich wenig Gedanken ums Wildfleisch gemacht, oft hieß es: „Das ist Wild, das wird schon gut sein.“ Aber das ist ein Trugschluss. Oft wird im Lebensmittelhandel europäisches Wildfleisch mit Wildfleisch aus Übersee oder sogar Asien vermischt. Und genau das machen wir von Heimat Wild nicht. Ich erinnere mich an einen Supermarkt, in dem ich Wildgulasch kaufen wollte. Es sollte 9,99 Euro pro Kilo kosten, das geht gar nicht! Vorn auf dem Etikett war ein prächtiges Geweih abgebildet, auf der Rückseite stand jedoch: „15 % Rotwild, 85 % Känguru“ – verrückt! Als ich heimfuhr, schwor ich mir: Das änderst du! Was hat mein Fleisch, ich bin selbst Jäger, mit einem Känguru aus Australien zu tun? Nichts! Das Wildbret unseres heimischen Wilds ist eine wertvolle Ressource, und so gehört es auch behandelt. Das soll nicht heißen, dass Känguru-fleisch aus Australien nicht schmecken kann. Ich will aber bitte schön genau wissen, was ich esse, und frei darüber entscheiden können.
Welches Wildbret bieten Sie an?
Wir konzentrieren uns auf Rotwild, Schwarzwild, Damwild, Rehwild und Gamswild, eben auf die Wildarten, die es bei uns gibt. Dabei steht eine 100%ige Verwertung, man sagt heute „From Nose to Tail“, im Vordergrund.
Was bedeutet 100%?
Es geht hier darum, dem Tier als solches echte Ehrerbietung zu erweisen, und es geht um Wertschöpfung. Aus der Keule und der Schulter, dem Rücken, eben den üblichen Teilen, aber auch aus den Knochen und den Innereien lassen sich qualitative Produkte für den Verzehr herstellen. Aus der Decke des Rehs oder des Hirschs kann man nützliche Dinge machen, etwa Schuhe oder Accessoires. Dinge fürs tägliche Leben. Das haben wir doch seit jeher so gemacht, bis wir es aus dem Gedächtnis verloren haben, weil es ja ach so angenehm und so viel einfacher ist, wenn alles schnell und billig im Supermarkt verfügbar ist. Wissen Sie, die alten Dinge geraten einfach mehr und mehr in Vergessenheit. Früher nutzte man beispielsweise Rehleder als Fensterleder. Irgendwann kamen dann die künstlichen Mikrofasern. Da brauchen wir uns nicht zu wundern, dass die Flüsse und Seen voller Mikroplastik sind. Auch das Handwerk des Ledergerbers stirbt allmählich aus. Alles wird zur Chromgerbung in Billiglohnländer wie Bangladesch gekarrt, schrecklich. Ich habe einige gute Lederspezialisten in unserem regionalen Netzwerk, die gerben auf herkömmliche sämische Art und Weise mit Fischtran, und das ist zu 100 % ökologisch abbaubar. Anschließend können wir es dann verkaufen und müssen es nicht wegwerfen. Rede ich mich hier gerade in Rage? Sorry! Aber wissen Sie, ein Tier, ein Lebewesen hat sein Leben gelassen, also bitte geben wir dem auch einen Grund und vor allem echte Wertschätzung, vermarkten wir das Fleisch. Wir stellen hochwertige, exzellente Wurstprodukte her und schmeißen einfach nichts weg!
Okay, vielleicht eine etwas entspanntere Frage: Was bedeutet Wildbret für Sie persönlich?
Es ist eine Delikatesse und so gesund. Im Gegensatz zu konventionellem Fleisch ist es fast schon ein echtes Superfood. Es hat nicht nur weniger Fett, sondern auch mehr Mineralien und ist obendrein noch sehr cholesterinarm. Das Gute liegt oft direkt vor der Haustür, wir müssen nur genau hinschauen. Aber man muss und sollte es vor allem nicht jeden Tag essen. Wildbret ist etwas Besonderes, eben eine Delikatesse, so wie früher der Sonntagsbraten …
Wieder etwas beruhigt?
(lacht) Ja, passt schon.