Wundersame Nachtschwärmer
| Text: Gabriele Metz |
Sie altern kaum, bleiben lange kerngesund, sind extrem virentolerant, orientieren sich mithilfe von Ultraschall und beherrschen – gemeinsam mit den eng ver-wandten Flughunden – als einzige Säugetiere die hohe Kunst des Fliegens: Fledermäuse. Rund 25 der insgesamt über 1 400 Arten leben in Deutschland. Viele von ihnen sind akut durch die intensive Landwirtschaft, den Verlust von Lebensräumen, Windkraftanlagen und den Straßenverkehr bedroht.
Fledermäuse sind ziemlich außergewöhnliche Wesen. Sie verfügen über Fähigkeiten, die uns staunen lassen. So verlangsamen ihre Zellen den Alterungsprozess, was zu einer hohen Lebenserwartung beiträgt. Zudem ist die weitverbreitete Geißel Krebs bei ihnen so gut wie kein Thema, und sie überleben In-fektionskrankheiten, die jedes andere Säugetier töten würden. Fähigkeiten, die natürlich Begehrlichkeiten wecken und damit Grund genug für die Wissenschaft sind, sich intensiv damit auseinanderzusetzen. Den möglichen Nutzen für die Humanmedizin im Blick, haben sich Forscher mit dem Erbgut von Fledermäusen befasst und es weitgehend entschlüsselt.
Zu der vergleichsweise hohen Lebenserwartung der Fledermäuse, die zu den Fledertieren (Chiroptera), auch Flattertiere genannt, gehören, trägt nicht zuletzt ihre hohe Virentoleranz bei. In ihrem Virenreservoir tummeln sich mitunter Corona-, Tollwut- oder Ebola-Erreger, ohne ihren Träger nennenswert krank zu machen. Dieser Virentoleranz und dem gesunden Altern liegen genetische Ursachen zugrunde, die das Team rund um den damaligen Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden, Dr. Michael Hiller, untersuchte. Dabei wurden unter anderem fossile Virensequenzen in der Fledermaus-DNA nachgewiesen. Auch Viren, von denen man bislang nicht wusste, dass sie Säugetiere infizieren. Offensichtlich leben Fledermäuse also schon seit sehr langer Zeit mit diversen Viren. Wie es Fledermäusen nun genau gelingt, sich nicht von gefährlichen Viren unterkriegen zu lassen, ist nach wie vor ein viel diskutiertes Thema der Wissenschaft. Es wird also noch eine Weile dauern, bis das durch Fledermäuse erlangte Wissen um gesundes Altern und Virentoleranz auch der Menschheit zugutekommen kann.
Kleiner als ein Stück Würfelzucker
Mit der überschaubaren Größe eines Stücks Würfelzucker und einem Gewicht von nur fünf Gramm galt die Zwergfledermaus lange als kleinste deutsche Art. Doch dann lief ihr eine erst vor wenigen Jahren entdeckte Art, die Mückenfledermaus, diesen Rang ab. Während die kleinen Nachtschwärmer leicht zu übersehen sind, macht das Große Mausohr mit einer beeindruckenden Flügelspannweite von 40 Zentimetern auf sich aufmerksam. Die größte heimische Fledermausart bewohnt vorzugsweise die Dachböden alter Kirchen. Im weltweiten Vergleich übertrumpft sie die Australische Gespenstfledermaus, die sich mit einer Flügelspannweite von bis zu 60 Zentimetern in die Lüfte schwingt.
Allein in Deutschland sind 25 verschiedene Fledermausarten bekannt. Sie und ihre engen Verwandten, die Flughunde, sind die einzigen Säugetiere, die aktiv fliegen können. Fledertiere blicken auf eine etwa 50 Millionen Jahre währende, nur sehr spärlich dokumentierte Entwicklungsgeschichte zurück. Ihre Vorfahren sind bis heute nicht erforscht, Forscher vermuten ihren Ursprung in spitzmausähnlichen baumbewohnenden Säugetieren, die auf der Jagd nach Insekten und Spinnen von Ast zu Ast sprangen, wodurch sich im Laufe der Zeit eine Art Flughaut entwickelt hat. Unbestritten entstand ein in vielen Punkten einzigartiges Lebewesen, das mit den Ohren „sieht“ und mit 800 Herzschlägen pro Minute durch die Nacht fliegt. Weltweit sind über 1 400 Fledermausarten bekannt, somit sind Fledertiere nach den Nagetieren die zweitartenreichste Säugetierordnung. Die meisten von ihnen leben in tropischen Klimazonen.
EUROBATS
Zurück nach Deutschland, wo vier Fledermausarten bereits als vom Aussterben bedroht gelten: die Große und die Kleine Hufeisennase, die Wimper- und die Mopsfledermaus. Letztere rückte vermehrt ins öffentliche Interesse, als sie von der BatLife Europe zur Fledermaus der Jahre 2020–2021 gewählt wurde. Die typische Waldfledermaus ist zudem ein lebender Indikator für den Zustand deutscher Wälder. Sie braucht viel Alt- und Totholz als Sommerquartier, um ihren Nachwuchs aufzuziehen und selbst überleben zu können. Ihre bevorzugte Nahrung sind Nachtfalter, womit sie vom Rückgang der Insektenvielfalt direkt betroffen ist. Der bundesweite Einstufungszustand der Art ist ungünstig. In einigen Gebieten ist sie bereits vom Aussterben bedroht. Um die Große Hufeisennase steht es nicht besser. „Die einzig bekannte Wochenstube für die Große Hufeisennase in Deutschland befindet sich in der Oberpfalz“, so das Bundesamt für Naturschutz. Der sattelförmige Nasenaufsatz führte zur Namensgebung der Art, die damit gezielt Ultraschalllaute aussendet und so auch mit Beute im Maul weiterfliegen kann. Bereits in den 1950er-Jahren brach der Bestand der Art so weit ein, dass sie auszusterben drohte. Heute sind es Lebensraum- und Jagdgebietsverluste, Pestizide, Insektizide, Herbizide und weitere Faktoren, die die Große Hufeisennase erneut auf eine harte Probe stellen.
Doch auch den anderen Arten droht Ungemach. „Ursache für die starken Bestandseinbrüche der meisten Fledermausarten in den vergangenen Jahrzehnten ist vor allem die intensive Landwirtschaft. Neben dem Verlust der Vielfalt bäuerlicher Kulturlandschaften sind die Auswirkungen auf das Angebot von Beutetieren wie Nacht-faltern, Fluginsekten oder Käfern erheblich, ebenso wie der Einsatz von Pestiziden“, so der ehemalige NABU-Präsident Olaf Tschimpke. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz stuft Fledermäuse sogar ausdrücklich als besonders gefährdete Ordnung der Säugetiere ein. „Zu lange schon bekannten Gefahren, wie direkten Schädigungen durch den Einsatz von Bioziden oder der Zerstörung von Quartieren und Lebensräumen, sind neue Gefahren und Risiken hinzugekommen: so die Tötung an Windenergieanlagen oder Biomasseverluste von Insekten, der Hauptnahrungsgrundlage. Zahlreiche Fledermausarten legen zwischen ihren Sommer- und Winterquartieren Wanderungen von Hunderten von Kilometern zurück und überqueren dabei Staatsgrenzen und benötigen auf ihren Wegen sichere Rast- und Nahrungsplätze. Eine internationale Zusammenarbeit zum Fledermausschutz ist daher geboten“, so das Ministerium.