Zartes Pflänzchen, starke Wirkung

| Text: Gabriele Metz |

Man verbindet ihn mit einem unverwechselbaren, intensiven Duft und einer leuchtend grünen Farbe. Waldmeister birgt jedoch auch noch ganz andere Qualitäten. Sein Geschmack verwöhnt den Gaumen, und seine Inhaltsstoffe, wohldosiert eingesetzt, gelten seit Jahrhunderten als naturheilkundliche Medizin.

Giftgrüner Wackelpudding, prickelnde Brause, Eis und spritzige Limonade sorgen schon dafür: Waldmeister kennt in Deutschland fast jedes Kind. Wobei dieses Geschmackserlebnis überwiegend synthetischen Aromastoffen zuzuschreiben ist. Frisch geerntet, schätzen ihn Erwachsene durchaus als leicht beschwingende Zutat in der traditionellen Maibowle. Als Aromastoff ist Waldmeister übrigens auch in Wermut, Magenbitter und Kräuterlikör zu finden. Hexen vertreiben, den Appetit mäkeligen Milchviehs anregen, Motten fernhalten, diverse Zipperlein heilen … Die zarte Pflanze, deren kleine weiße Blüten von April bis Mai in lichten Laubwäldern für zauberhaft schöne Szenarien sorgen, findet vielseitigen Einsatz, und das schon seit vielen Jahrhunderten.

Den Auftakt machten wohl die Benediktinermönche des 9. Jahrhunderts, die ihren Wein raffiniert mit Waldmeister zu veredeln wussten. Eine Tradition mit Bestand, denn noch heute ist der schmackhafte Trunk ein beliebter Auftakt zur wonnigen Jahreszeit. Schon die Mönche wussten: Die Stängel der Waldmeisterpflanzen sollten die Flüssigkeit nicht berühren. Der Grund dafür ist, dass über die Stielenden Bitterstoffe in die Bowle austreten können. Deshalb binden Maibowle-Profis die angewelkten Pflanzen einfach zu kleinen Sträußchen und hängen sie kopfüber in den Wein. Warum angewelkt? Weil sich der typische Waldmeistergeschmack erst dann so richtig opulent entfaltet. Das geschieht auch, wenn man Waldmeister vor der Weiterverarbeitung einfriert. Wird die Pflanze vor der Blüte geerntet, ist ihr Duft zudem besonders stark und überdies der Cumaringehalt am geringsten. Mehr als drei Gramm Waldmeister sollte man übrigens nicht pro Liter Flüssigkeit verwenden. Ansonsten könnte das in der Pflanze enthaltene Cumarin für Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheit sorgen. Überdosierungen vermögen in Einzelfällen sogar die Leber zu schädigen.

In geringer Dosierung hilft Cumarin hingegen sogar bei Kopfschmerzen und Migräne. Der Aromastoff, der unter anderem auch in Zimt, Tonkabohnen und Datteln vorkommt, ist allerdings nicht unumstritten, was Ende der 1980er-Jahre sogar in einem Verbot seiner Verwendung als Lebensmittelzusatz gipfelte. Heute regelt die EU den Zusatz von Cumarin. Für Dessertspeisen gelten beispielsweise fünf Milligramm pro Kilogramm Lebensmittel als oberster Grenzwert.

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