Zauberhafte Schlafmäuse

| Text: Gabriele Metz |

Wissen Sie, was ein Bilch ist? In diesen Beitrag klären wir Sie dazu auf.

Bilche – auch als Schlafmäuse bekannt – machen ihrem Namen alle Ehre. Ihr bis zu sieben Monate währender Winterschlaf trug zur Namensgebung bei. Mit Mäusen haben die hörnchenähnlichen Säugetiere allerdings nichts zu tun. Bilche gehören zu den Nagetieren und bilden in dieser Ordnung eine eigene Familie. Die europaweit geschützte und bedrohte Tierart ist in Gefahr. In Polen ist sie bereits ausgestorben. Andere Länder haben sie auf die Rote Liste gefährdeter Tierarten gesetzt. Wildstationen und Biologen machen sich aktuell für die Rettung der Bilche stark. Rund 30 Arten von Schlafmäusen gibt es weltweit. In Deutschland kommen vier von ihnen vor: der Siebenschläfer, der Gartenschläfer, die Haselmaus und der Baumschläfer.

Siebenschläfer

Wissen Sie, was ein Bilch ist? Diese Frage sorgt meistens für Ratlosigkeit. Allenfalls der Siebenschläfer (Glis glis) ist bekannt, aber auch weniger beliebt, weil er mitunter in Dachböden einzieht und dort angeblich Schaden anrichtet. Doch das hat Gründe. „Tatsache ist doch, dass wir den Tieren und der Natur immer mehr den Raum nehmen. Felder und Wälder werden gerodet und Lebensräume der heimischen Tierwelt zerstört. Die Tiere müssen schauen, wo sie bleiben“, so die Wildstation Bilche in Wiesbaden.  Penibel gepflegte Gärten, fehlende Nistkästen, Gift und Fallen machen den Bilchen den Garaus. „Wir haben das ganze Jahr über Bilche bei uns und für uns sind ‚die Kobolde der Nacht‘ keine Schädlinge. Durch die Wildstation dürfen wir einen Einblick in ihre Welt erhaschen und können von ihnen immer noch was lernen. Jedes Tier hat seinen eigenen Charakter und seine Eigenheiten“, so die Erfahrungen auf der Wildstation Bilche. In der Tat lohnt sich ein genaueres Hinsehen. Alles beginnt mit einem kleinen Wunderwerk der Natur, das nicht das einzige bleiben wird, wenn es um Bilche geht. Siebenschläfer entledigen sich kurzerhand ihres gesamten Schwanzes, wenn sie daran ein Feind packt. Dabei löst sich die gesamte Schwanzhaut an einer von der Natur dafür vorgesehenen Stelle und gleitet mitsamt Fell vom Schwanzskelett. Die verbleibenden Schwanzwirbel fallen von selbst ab. Die Stelle verschließt sich mit neuer Haut und neuem Fell. Fortan ist der Schwanz einfach ein Stückchen kürzer.

Gut sieben Monate Winterschlaf braucht der Siebenschläfer schon, um im Frühjahr wieder kraftvoll durch-zustarten. Die mit rund 20 Zentimetern Körperlänge und der zusätzlichen Schwanzlänge von etwa 13 Zentimetern größte heimische Schlafmaus erwacht Ende April zu neuem Leben. Das blaugraue Haarkleid des in ganz Europa verbreiteten Siebenschläfers ist unverkennbar. Bei den altern Römern galt die Schlafmaus übrigens als Delikatesse. Gefüllter Siebenschläfer gehörte zur gehobenen Küche.Den Tag verschlafen die nachtaktiven Siebenschläfer am liebsten in Baumhöhlen, Erdlöchern und Nistkästen. Sobald die Dunkelheit hereinbricht, begibt sich der geschickte Kletterer auf Nahrungssuche. Siebenschläfer sind nicht sonderlich scheu, was ihnen den Weg auf Dachböden und in Gartenhäuschen ebnet. Der Kulturfolger fällt dann oft durch quiekende Laute und Gepolter auf.

Artenschutzprojekt

Während das Vorkommen des Siebenschläfers in Norddeutschland rückläufig ist, gilt es insbesondere im Süden des Landes als noch relativ stabil. Die Zunahme monotoner Nutzwälder ist eine der größten Bedrohungen für den Bestand. Mischwälder mit alten und bereits abgestorbenen Bäumen sind ein Paradies für den Bilch. Darin findet der nachtaktive Nager Verstecke und jede Menge Nahrung.

Aktuell unterstützt die Deutsche Wildtier Stiftung ein Artenschutzprojekt, das dem bislang als noch nicht gefährdet eingestuften Siebenschläfer gilt: „Mit dem alten Laubwald in Wildtierland Gut Klepelshagen wird sehr behutsam umgegangen. Es wird da-rauf geachtet, einen möglichst hohen Anteil alter Bäume zu erhalten. 2011 wurden rund 100 Höhlenbäume in Wildtierland Gut Klepelshagen dokumentiert, in denen die größte Spechtart Europas, der Schwarzspecht, Höhlen gezimmert hat. Der Schwarzspecht ist der ‚Zimmermann des Waldes‘ und schafft lebensnotwendigen Wohnraum nicht nur für sich, sondern auch für viele andere Arten – allen voran den Siebenschläfer“, so die Deutsche Wildtier Stiftung.

Mit dem Siebenschläfertag hat der schöne Bilch übrigens nichts zu tun. Die alte Bauernregel besagt, dass sich am 27. Juni entscheidet, wie das Wetter in den darauffolgenden sieben Wochen wird. Sie geht auf die christliche Legende der Sieben Schläfer von Ephesus zurück.

Gartenschläfer

Obst- und Weingärten sind die bevorzugten Lebensräume des Gartenschläfers (Eliomys quercinus), aber der von der Deutschen Wildtier Stiftung zum „Tier des Jahres 2023“ gekürte Bilch fühlt sich auch in Parks und Gärten wohl. Der Bodenbewohner ist in ganz Europa zu finden. Man erkennt ihn gut an seinem Zorro-Look, seiner auffallenden schwarzen Gesichtsmaske. Abgesehen von saftigem Obst stehen Insekten, Schnecken, Frösche, Eidechsen und kleine Mäuse auf seinem vielseitigen Speisezettel. Seine Vorliebe für gesunde Kost sorgte in der Vergangenheit für eine massive Bekämpfung des Nagers in Obstanbaugebieten. Eine Entwicklung mit drastischen Folgen. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich der Bestand an Gartenschläfern in Deutschland um die Hälfte reduziert. Das liegt allerdings nicht allein an der gezielten Bekämpfung. Was genau dahintersteckt und was man tun kann, um die Bestände zu erhalten, untersuchen zurzeit der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Justus-Liebig-Universität Gießen und die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Das Projekt heißt „Spurensuche Gartenschläfer“ und wird vom Bundesprogramm Biologische Vielfalt gefördert.

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